Moschee-Eröffnung: Nachbarn mit Sicherheitsabstand

Nach jahrelangem Streit wird heute die Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf eröffnet. Die Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern sind nicht überwunden. Doch der Konflikt um das umstrittene Projekt hat nicht nur negative Folgen für Heinersdorf gehabt. Viele Bürger sind aktiv geworden

Schlicht sieht sie aus, die kleine Moschee, die die Berliner Ahmadiyya-Gemeinde im Pankower Stadtteil Heinersdorf am nordöstlichen Stadtrand Berlins errichtet hat. So schlicht und bescheiden, dass man sich beinahe fragt, wie um dieses Gebäudes so viel Streit entstehen konnte. Auf dem Grundstück am Ende der Tiniusstraße, zwischen Prenzlauer Allee, einer Autowerkstatt und einem Schnellrestaurant, strahlt der einfache weiße Quader mit der silbernen Kuppel dennoch wie ein kleines Schmuckstück.

Zwei Minarette, nicht höher als die Kuppel, zieren das Gebäude. Viele Fenster geben den Blick ins Innere frei, das ebenfalls auf Schnörkel, Schnitzereien oder sonstigen Schmuck, wie man ihn aus anderen Moscheen kennt, verzichtet. Allein Koranzitate in arabischer Schrift verzieren die ansonsten weiß gestrichenen Gebetsräume - es sind zwei, denn in der Moschee der Ahmadiyya beten Männer und Frauen getrennt. In den Vorzimmern warten Holzregale auf die Schuhe der Moscheebesucher. Eine Tür gibt den Blick in einen steril gekachelten Waschraum frei, in dem die Gläubigen sich künftig der vor den Gebeten erforderlichen Reinigung unterziehen.

Die Ahmadis verzichteten auf Zierrat in ihren Gebetshäusern, "weil wir uns hier auf Gott besinnen und nicht ablenken lassen wollen", erklärt einer der vielen Freiwilligen aus der kleinen Gemeinde, die in den Tagen vor der Eröffnung auf der Baustelle mithelfen. Dann muss er sich schon wieder verabschieden: Neue Besucher sind gekommen. "Alle wollen jetzt mit uns sprechen", sagt der Helfer entschuldigend, und fügt hinzu: "Weil es doch so viel Ärger wegen der Moschee gegeben hat."

Als ob man das noch extra erwähnen müsste. Zwar wird wohl kein islamisches Gotteshaus in Deutschland ganz ohne jeden Widerstand gebaut, aber was sich in Heinersdorf abgespielt hat, sprengte den Rahmen des bisher - jedenfalls in Berlin - bekannten Protests.

Ausschlaggebend dafür sind vor allem zwei Gründe: Das kleine Gebetshaus im Nordosten Berlins ist das erste, dass im Ostteil der Stadt gebaut wurde. Und die Ahmadiyya-Gemeinde ist eine besondere Gruppe unter den Muslimen in Berlin.

Die etwa 200 Mitglieder der Gemeinde stammen mehrheitlich aus Pakistan, von wo sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur Ahmadiyya flüchten mussten. Denn die meisten Muslime betrachten die Ahmadis als "Abtrünnige": Statt in Mohammed sehen sie in Mirza Ghulam Ahmad, der die Ahmadi-Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts gründete, den letzten Propheten des Islam. Dass die Ahmadis damit für sich die letzte gültige Offenbarung beanspruchen, dass sie zudem oft missionarisch in Erscheinung treten, schürt das Misstrauen gegen die Religionsgemeinschaft. Und auch wenn sich ihr Gründer als Erneuerer des Islam betrachtete: Verglichen mit manch anderen deutschen Muslimen, wirken die Ahmadis nicht modern.

Dass am Tag vor der Eröffnung nicht eine einzige Frau auf der Baustelle zu sehen ist, ist nicht ungewöhnlich. Dass die Moschee nicht nur getrennte Räume, sondern sogar getrennte Eingänge für Männer und Frauen hat, irritiert schon mehr.

Einer, der von Anfang an seine Bedenken gegen die Ahmadis geäußert hat, ist Andreas Kaehler, Pfarrer der evangelischen Christen von Heinersdorf. Seine schöne, aus grauem Feldstein gebaute Kirche erinnert daran, dass im Ort einst dörfliche Idylle herrschte. Heute schützen Metallgeländer den Bürgersteig am Kirchhof vor dem Verkehr, der in Richtung Autobahn vorbeidonnert. Kaehlers Erregung, wenn er über seine neuen muslimischen Nachbarn spricht, klingt noch ebenso frisch wie vor drei Jahren, als die Baupläne der Ahmadiyya bekannt wurden. Auf keine der wichtigen Fragen von damals gebe es bis heute Antworten, sagt der Pfarrer: "Warum baut die Gemeinde hier? Und: Woher kommt das Geld?"

Fragen, die viele HeinersdorferInnen beschäftigten. Einige von ihnen schlossen sich 2006 in der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb) zusammen. 20.000 Unterschriften gegen den Bau sammelte die Initiative. Ihren Antrag auf ein Bürgerbegehren lehnte das Bezirksamt jedoch ab. Viele BürgerInnen fühlten sich damals übergangen. Dass auf Demonstrationen der Ipahb jedoch immer wieder Rechtsextreme auftauchten, ärgerte die, die sich mit den Muslimen auseinandersetzen wollten, ohne gleich am rechten Abgrund zu stehen.

"Der Bau der Moschee ist zu tolerieren", sagt Sandra Caspers vom Bürgerverein Zukunftswerkstatt Heinersdorf. Das sei der gemeinsame Nenner derjenigen gewesen, die die Bürgerinitiative vor zwei Jahren gründeten: "Das heißt aber nicht, dass wir keine Fragen an die Ahmadiyya haben." Eine der ersten Veranstaltungen, die in den kürzlich bezogenen und noch nicht ganz fertig renovierten Räumen des Vereins stattfinden werden, beschäftigt sich deshalb mit der Rolle der Frauen in der kleinen muslimischen Gemeinde. Doch auch wenn der Konflikt um die Moschee die Initialzündung zur Gründung der Zukunftswerkstatt war, steht er heute nicht mehr im Mittelpunkt der Aktivitäten, die die Zukunftswerkstatt verfolgt. In vielen AGs kümmern sich über 50 Mitglieder längst um andere Heinersdorfer Belange: Der Spielplatz wurde wieder belebt, eine Krabbelgruppe wird eingerichtet, ein Dorffest fand statt. Denn die Wut, mit der viele Heinersdorfer gegen das Moscheeprojekt waren, speise sich auch aus der Vernachlässigung und dem Niedergang ihres Dörfchens, sagt Sandra Caspers: "Der Ort bietet nichts."

Jetzt immerhin eine Moschee: Abdul Basit Tariq, der Imam der Ahmadiyya-Gemeinde, steht aufrecht und stolz vor dem weißen Gebäude. Ein "Symbol der Ehre für Deutschland" sei die trotz aller Widerstände erbaute Moschee, sagt er staatsmännisch. Ob er sich darüber, dass das so umkämpfte Bauprojekt nun vollendet ist, wirklich noch freuen kann, ist dem beherrschten Mann nicht anzusehen. Seine Antworten klingen wie in tausend Interviews abgenutzt: Nein, die Ahmadis seien nicht frauenfeindlich: "Die Moschee ist von einer Frau entworfen, nach einer Frau benannt und ausschließlich von den weiblichen Gemeindemitgliedern finanziert." Ja, man werde künftig alles tun, um mit den HeinersdorferInnen in friedlicher und freundlicher Nachbarschaft zu leben.

In das flache Gebäude neben der Moschee wird der Imam mit seiner Frau einziehen. Er könne sich durchaus vorstellen, dass sie auf der Straße mal beschimpft werde, sagt er gelassen: "Auch Gewalt schließe ich nicht aus." In der Vergangenheit hat es einen Brandanschlag auf die Baustelle gegeben, ebenso einen auf das Haus des CDU-Abgeordneten und Moscheegegners René Stadtkewitz. Nicht nur die Eröffnung findet deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Auch danach wird die Polizei das mit Zaun, Alarmanlage und Videoüberwachung gesicherte Gelände im Auge behalten. Eine Befürchtung mancher Anwohner kann Imam Tariq aber entkräften: dass Mitglieder seiner Gemeinde künftig in die Nähe der Moschee ziehen. "Heinersdorf ist kein Wunschziel für unsere Gemeindemitglieder." Tariqs evangelischer Kollege Kaehler wird an der Feier heute nicht teilnehmen: Er ist nicht eingeladen.

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