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Archiv-Artikel

Der Charme des Morgengrauens

TANZTHEATER-MARATHON Die „tanz_bar“ lädt in der Schwankhalle zum 24-Stunden-Tanz – als exklusive Plattform zur inklusiven Begegnung auf offener Bühne

Inklusion braucht Zeit. Ein 24-Stunden- Marathon bietet also genau den richtigen Rahmen

VON HENNING BLEYL

Wer müde ist, denkt weniger. Wer weniger denkt, tanzt besser. Wer intensiv tanzt, ist frei für Begegnungen aller Art. Insofern bietet der 24-stündige Tanztheater-Marathon, den die „tanz_bar Bremen“ übermorgen in der Schwankhalle startet, beste Voraussetzungen für Inklusion auf offener Bühne. Denn, so sagt Initiatorin Corinna Mindt: „Wir wollen ein Plädoyer für integrativen Tanz.“

Seit fünf Jahren arbeitet die Kompagnie „tanzbar“ bereits an Konzepten und Stücken, nach und in denen TänzerInnen mit sehr verschiedenen Voraussetzungen zusammen kommen können. Eine Erfahrung, sagt Mit-Initiator Günther Grollitsch, laute: Inklusion braucht Zeit. Zum Beispiel, um die Verschiedenartigkeit wirklich erfahren zu können, um gemeinsame Ebenen zu finden, auf denen sich beispielsweise Gehörlose und Blinde tatsächlich begegnen und kommunizieren können. Auch insofern ist der Marathon, zumindest für Spontan-Begegner, ein guter Rahmen zum Erfahrungsammeln: Zeit bietet er in Hülle und Fülle. „Da kann man sich in Ruhe beschnuppern“, betont Mindt.

24 Stunden bieten Gelegenheiten für mehrere Anläufe, per Improvisation zueinander zu finden. Entscheidend ist die Voraussetzungslosigkeit der Begegnung, meint Mindt: Laien und Profis sind gleichermaßen eingeladen, Menschen mit Behinderung ebenso wie alle anderen.

Unbekannte Leute, mit denen man tanzt oder Theater spielt? „Die will ich gern kennen lernen!“, sagt Neele Buchholz. Die junge Frau mit Down-Syndrom hat bei „tanzbar“ schon mehrere Stücke erarbeitet und drei Praktika absolviert. Ihr Berufsziel sei Tänzerin, sagt Buchholz, Vorbilder dafür gibt es etwa in Großbritannien, wo mixed-abled-Companies wie „StopGap“ und „Candoco“ ihre Mitglieder durchaus in Vollzeit beschäftigen und bezahlen können.

In Deutschland ist das noch Zukunftsmusik – von der in Bremen jedoch Anklänge zu hören sind. „Perspektivisch wollen wir für Neele ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schaffen“, sagen Mindt und Grollitsch. Ein Teil der Arbeit soll die Ko-Leitung von inklusiven Tanz-Workshops sein. Immerhin haben die tanz_bar-Leute es auch schon geschafft, mit „eigenARTig“ Deutschlands erstes integratives Tanzfestival auf die Beine zu stellen.

Auch für die Verstetigungs-Pläne soll der Marathon Aufmerksamkeit und Unterstützung schaffen. Inhaltlich gliedert er sich durch einen stündlichen Themenwechsel, der mit einem Wechsel im Bühnenbild einher geht. Es stammt von Hermann, dem nachnamenlosen Anarcho-Künstler aus Gießen. Eigens für den Marathon hat Hermann seine Serie aus Folienbildern erweitert, die er bei seinem letzten mehrmonatigen Kunstaufenthalt im Wald hat entstehen lassen.

In der Schankhalle sind Ruhezonen eingerichtet. Und wer es ganz besonders ruhig haben möchte, kann sich den Marathon auch von zu Hause aus – so ist es zumindest geplant – als Livestream anschauen: www.tanzbarbremen.de.

Start: Freitag, 18 Uhr, Ende: Samstag, 18 Uhr, Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112