Handball EM-Qualifikationsrunde: Radikaler Neuaufbau

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft startet in die EM-Qualifikation. Von den umjubelten Weltmeistern des vergangenen Jahres sind nur sieben Spieler dabei.

Bundestrainer Heiner Brand muss mit einer einer neu zusammengestellten Nationalmannschaft in die EM-Qualifikationsrunde gehen. Bild: dpa

HAMBURG taz Sie sind noch frisch: Diese Bilder vom Gewinn der Weltmeisterschaft, als die Mannschaft von Heiner Brand vor 19.000 Menschen in einer wogenden Kölnarena und vor 21 Millionen Fernsehzuschauern sich in einen wahren Rausch gespielt hatte. Ein Höhepunkt deutscher Handballgeschichte, der erst 20 Monate alt ist, und dennoch liegen scheinbar Welten zwischen diesen Jubelszenen und der grauen Gegenwart.

Die Weltmeisterschaft sei endgültig "abgehakt", erklärt Bundestrainer Brand heute barsch. Zu tief sitzt die Enttäuschung nach dem Desaster im olympischen Handballturnier von Peking, in dem das Team nur Rang neun erreichte. Und die Mannschaft ist nicht mehr dieselbe: Nur sieben Weltmeister sind beim ersten Länderspiel nach Peking noch dabei, wenn morgen die Qualifikation für die EM 2010 startet. Im hessischen Wetzlar erwartet das Team zunächst Bulgarien, bevor es am Sonntag im slowenischen Celje zur Neuauflage des EM-Finales von 2004 kommt. Die weiteren Gegner heißen Weißrussland und Israel; die beiden Gruppenbesten sind für das EM-Turnier in Österreich qualifiziert.

Der Neuaufbau, den Brand für den nächsten olympischen Zyklus angeht, könnte radikaler kaum ausfallen. Dadurch, dass der 56-jährige Gummersbacher "vorerst" auf Torhüter Henning Fritz, Andrei Klimovets und Florian Kehrmann verzichtet und dazu Kreisläufer Christian Schwarzer und Regisseur Markus Baur zurückgetreten sind, muss der Trainer eine völlig neue Hierarchie in der Mannschaft aufbauen. Zudem will Linkshänder Christian Zeitz nie wieder für Deutschland auflaufen. "Das habe ich dem Trainer schon in Peking gesagt", erklärte der wurfgewaltige Mann vom THW Kiel kürzlich genervt, wenn Brand dies anders darstelle, habe er "die Tatsachen verdreht".

Brand hofft, dass der personelle Schnitt nicht im Totalabsturz endet. "Im Kern, auf den zentralen Rückraumpositionen, hat sich die Mannschaft gar nicht so verändert", sagt er. Kehrten die verletzten Holger Glandorf (Nordhorn), Pascal Hens und Torsten Jansen (HSV) bei der WM 2009 in Kroatien wieder ins Team zurück, sähe es in der Tat freundlicher aus. Auch dann jedoch, so Brand, zähle der Titelverteidiger "nicht zu den Topfavoriten".

Für das Spiel gegen das viertklassige Bulgarien, das zuletzt eine 17:42-Pleite gegen Handballzwerg Portugal erlebte, "muss es in jedem Fall auch so reichen", sagt Torwart Johannes Bitter (HSV). Bei den traditionell spielstarken Slowenen allerdings komme es auch "darauf an, dass wir sehr kampfstark sind".

Ob die vielen Nachwuchskräfte im 17er-Kader, darunter Debütant Andreas Rojewski (SC Magdeburg), dieser Herausforderung auf höchstem Niveau bereits gewachsen sind, bezweifeln viele Experten. Sieben Akteure weisen weniger als 15 Länderspiele auf, verfügen also nicht über die Erfahrung, die im Leistungshandball eminent wichtig ist. Dennoch vermittelt Brand Zuversicht: "Die neu zusammengestellte Mannschaft machte Mitte des Monats beim ersten Lehrgang einen hervorragenden Eindruck. Die Spieler waren sehr engagiert, lernfähig und einsatzfreudig."

Weniger Optimismus versprüht Brand in der Frage der Quotenregelung, die er schon lange für deutsche Profis in der Bundesliga fordert, um so mehr Auswahl für seinen Kader zu generieren. Er sei es leid, weiter darüber zu sinnieren, "weil zentrale Figuren wie Kiels Manager Uwe Schwenker sich quer stellen", sagte Brand jüngst. Sein Vorschlag, die Spieltage der Champions League zu reduzieren, indem nur der nationale Meister und der Titelverteidiger mitspielten, dürften seitens der Vereine auf erheblichen Widerstand stoßen. Auch Fernsehsender und Zuschauer stimmen in dieser Frage gegen den Bundestrainer ab: Während die Champions-League-Partien weitgehend live gezeigt werden, werden die EM-Qualifikationsspiele, die neu im Programm sind, gar nicht übertragen.

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