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Seit gestern abend bin ich regungslos, versuche Neuigkeiten und details zu bekommen. Die halbe Nacht und den ganzen Morgen lese ich. Goma ist heute meist Schlagzeile Nr. 1. Die Berichte sind ähnlich, jedoch lassen sie sich in Pro und Contra Nkunda einteilen. Die dpa schreibt: "...Plünderungen und Vergewaltigungen, an denen sich auch Soldaten der Regierungstruppen beteiligt haben sollen." (Zitat: http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/rotes-kreuz-warnt-vor-humanitaerer-katastrophe/).
Es sind doch nur die Regierungssoldaten , die für Plünderungen und Vergewaltigungen verantwortlich sein können, denn Nkundas Soldaten sind nicht in Goma.
So viele unbeantwortete Fragen...
Warum sind UN-Blauhelme in Goma, wenn sie nicht zum Schutz der Bevölkerung beitragen? Warum haben sie heute Nacht nicht das Schlimmste verhindern können? Warum ist die internationale Gemeinschaft von Joseph Kabila überzeugt, dessen Soldaten die Undiszipliniertesten überhaupt sind? Etwa deshlab, weil sie sehr viel Geld in die Wahlen 2006 hineingesteckt haben?
Meine Kommolitonen des Studiengangs "Kultur und Gesellschaft Afrikas" scheinen von alledem nichts zu wissen. Die Stimmung vor dem Seminar ist ausgelassen, der Professor erwähnt Nord-Kivu mit keinem Wort...
Regungslose Tränen laufen über meine Wangen
Sowohl die Politik als auch die meisten Medien - die TAZ ist da eine Ausnahme! - erinnern sich nur sporadisch daran, daß sich da südlich von Gibraltar noch eine größere Landmasse befindet.
Entsprechend sind die hektischen Reaktionen wenn sich die Krise nicht mehr leugnen läßt.
Üblicherweise werden dann so lange gute Ratschläge erteilt, bis der Schaden das maximale Ausmaß erreicht hat und die Debatte langsam vesickert, um am Ende in der scheinbar abgeklörten Erkenntnis auszuplätschern, daß man jetzt eh nix mehr machen kann.
Das war beim Völkermord in Ruanda so - der ja wohl zumindst eine der Ursachen des Krieges im Kongo ist - in Darfur, wo sich der Konflikt inwzischen auf die Nachbarländer ausdehnt, und genau so im Kongo.
Zumindest wenn es um Menschen geht. Romeo Dallaire hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß es mehr Furor entfacht hätte, wenn man in Ruanda statt der Tutsis die Gorillas geschlachtet hätte.
In den Radionachrichten von WDR2 wurde vor einiger Zeit gemeldet, daß Rebellen im Kongo 400 Nilpferde getötet und empörenderweise auch noch gegessen hätten - daß dort ein Krieg herrscht, der zu dieser Zeit bereits 4 Mio Menschen das Leben gekostet hatte, und daß diese beiden Dinge möglicherweise zusammen hängen könnten, wurde nicht erwähnt, soviel Zeit konnte man von den kostbaren 3 Minuten für die Weltnachrichten nicht erübrigen.
Klimaaktivist:innen besprühen die Innenräume einer Bar. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass Reichtum und CO2-Ausstoß miteinander zu tun haben.
Kommentar Kongo: Feindbild kostet Leben
Die UN-Blauhelme schauen untätig dabei zu, wie fliehende Regierungssoldaten Goma plündern. Jetzt müsste die UNO den reibungslosen Einmarsch der Rebellen ermöglichen.
Die Vorgänge um Kongos Frontstadt Goma nehmen allmählich absurde Züge an. Unter den Augen einer untätigen UN-Blauhelmmission, deren Mandat als Kern den Schutz der Zivilbevölkerung enthält, plündern fliehende Regierungssoldaten über Nacht die Stadt und töten zahlreiche Menschen.
Am nächsten Tag posaunt die internationale Diplomatie, man müsse unbedingt verhindern, dass die Rebellen von Laurent Nkunda die Stadt einnehmen. Ansonsten drohe ein Blutbad. Gleichzeitig kursieren Überlegungen, eine europäische Eingreiftruppe zu entsenden, die Flüchtlinge schützt.
Wäre Nkundas Rebellenarmee gleich am Mittwochnachmittag in Goma einmarschiert, statt dem starken internationalen Druck zur Zurückhaltung nachzugeben, hätte es die nächtelange Plünderorgie der Regierungstruppen nicht gegeben. Es hätte sie auch nicht gegeben, wenn die UN-Soldaten in der Stadt ihr Mandat ernstgenommen hätten und nicht aus Sicherheitsgründen in ihrer Kaserne geblieben wären. Zahlreiche Menschen haben so mit ihrem Leben für die Überzeugung internationaler Diplomaten gezahlt, eine Eroberung Gomas durch Nkunda sei das größte anzunehmende Übel und daher um jeden Preis zu verhindern.
Wie geht es jetzt weiter? Nach wie vor erscheint als einzige tragbare Lösung, dass die UN-Mission in Goma den reibungslosen Einmarsch der Rebellen ermöglicht, um gemeinsam mit ihnen und den noch verbliebenen Sicherheitskräften wie der Polizei für Sicherheit zu sorgen. Doch Nkundas Kämpfer haben in den letzten zwei Jahren bewiesen, dass sie in ihren Herrschaftsgebieten der Bevölkerung bessere Bedingungen bieten können. 2004, zu Beginn ihres Kampfes, fielen sie noch in die Stadt Bukavu ein und begingen zahlreiche Vergewaltigungen und Morde. Inzwischen aber setzen sie auf eine straff organisierte Verwaltung und eine rigide interne Disziplin. Wenn das UN-Mandat zum Schutz der Bevölkerung ernst gemeint ist, muss das Verhalten der Kriegsparteien daran gemessen werden. Dies bedeutet möglicherweise für einige Diplomaten und Politiker, die Nkunda verteufeln, einen unangenehmen Gesichtsverlust. Aber das Leben der Kongolesen sollte wichtiger sein.
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Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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