Leichtathletik-WM: Weltmeisterschaft wird teurer Spaß

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 kommt das Land Berlin deutlich teurer als gedacht - weil der Senat sich verkalkuliert hat. Um die 5,6 Millionen Euro Mehrkosten wieder reinzubringen, muss womöglich beim Breitensport gespart werden.

Auf Unbeteiligte wirkte es wie eine dreiste Forderung. 6 Millionen Euro zusätzlich verlangten die Organisatoren der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 Mitte Oktober vom Senat, um das Olympiastadion WM-tauglich zu machen. Dabei hatte dieser bereits großzügige 20 Millionen Euro für die Ausrichtung des nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM größten Sportereignisses zugesichert.

"Das gefällt uns gar nicht", sagte damals Senatssprecher Richard Meng und verwies gegenüber der Morgenpost auf den Unmut des Regierenden Bürgermeisters. Meng stellte klar: "Dass der Senat in der geforderten Größenordnung nachlegt, ist nicht vorstellbar."

Zu optimistisch

Doch in der vergangenen Woche bewilligte der Senat zusätzliche Mittel in der Höhe von 5,6 Millionen Euro und preiste seine unvorhergesehenen Ausgaben als "Investition in die Zukunft" für den Sport in Berlin an. Nach dem zarten Eingeständnis von SPD-Innensenator Ehrhart Körting, man habe manches vielleicht doch etwas zu optimistisch gesehen, konnte man jedoch erahnen, was eigentlich passiert war: Der Senat hat sich gründlich verkalkuliert.

Anders als Meng darzustellen versuchte, hatte das Land Berlin gar keine andere Wahl, als zu zahlen. Vertraglich hat sich das Land als Stadioneigentümer nämlich bereits vor drei Jahren verpflichtet, das Olympiastadion so herzurichten, wie es das Anforderungsprofil des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) vorschreibt. Auf Anfrage der taz erklärte die Pressestelle der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die nun zusätzlichen Kosten seien nicht abschätzbar gewesen, weil das Regelwerk der IAAF sich in den letzten Jahren geändert habe.

Cem Herder, der Sprecher des Berlin Organising Committee (BOC) für die WM 2009, sagt jedoch, die Vorgaben des IAAF hätten sich grundsätzlich nicht verändert. Der einzige kostenfällige Posten, der neu dazugekommen sei, habe sich durch eine Testveranstaltung im Juli ergeben. Im Athletengang zwischen Kabinen und Mixed Zone wurde die fehlende Belüftung beanstandet. Kostenpunkt: etwa 300.000 Euro. Was ist jedoch mit dem großen Rest von 5,3 Millionen Euro?

1,4 Millionen muss für die Verstärkung des Flutlichts ausgegeben werden, da die Laufbahn im Olympiastadion gemäß den Kriterien des IAAF nicht gut genug für Fernsehübertragungen ausgeleuchtet ist. Die Senatspressestelle behauptet, das habe erst eine aktuelle Messung ergeben. Warum misst man jedoch erst zu einem so späten Zeitpunkt der Vorbereitung nach? Herder von der BOC sagt, die fehlende Strahlkraft hätte man schon kurz nach der Fußball-WM 2006 festgestellt.

Dass man eine unterbrechungsfreie Stromversorgung im Stadion bieten muss, ist auch schon seit Jahren bekannt. Das Geld (1,6 Millionen Euro) wurde allerdings erst jetzt im Nachsorgepaket des Senats mit einkalkuliert. Kommen 1,2 Millionen Euro für Sportgeräte hinzu und weitere Renovierungsarbeiten, die angeblich erst im Nachhinein verlangt wurden. Cem Herder weiß nichts davon.

Felicitas Kubala, die sportpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagt, das komme ihr alles sehr bekannt vor. Bereits bei der Sanierung des Olympiastadions für die Fußball-WM 2006 habe der Senat zuzahlen müssen. Wie viel genau, wisse man bis heute nicht, weil die von der Opposition eingeforderte Abrechnung nie nachgereicht wurde.

Keine Transparenz

"Der Senat ist einfach nicht in der Lage, Großveranstaltungen vernünftig durchzukalkulieren", sagt Kubala. Immer wieder würde sich die Koalitionsregierung mit viel Euphorie und wenig Verstand auf Großprojekte stürzen. "Wenn man kritisch nachfragt, wird man als Spaßbremse betrachtet." Die Leichtathletik-WM sei wichtig für das Renommee der Stadt. Der Senat müsse aber besser und transparenter haushalten, fordert Kubala.

Transparenz ist ein gutes Stichwort. Auf die Frage, woher der Senat die zusätzlich erforderlichen 5,6 Millionen Euro nehmen will, antwortete die Pressestelle: "Wegen der besonderen Dringlichkeit der Maßnahmen zur Ausrichtung der Leichtathletik-WM (15. bis 23. August) müssen andere beabsichtigte Einzelmaßnahmen im Sportbereich, wie zum Beispiel zur Sanierung und Modernisierung des Olympiaparks, auf die kommenden Jahre ab 2010 verschoben werden." Ein vermutlich bewusst unspektakulär ausgesuchtes Exempel. Zu befürchten ist, dass der Breitensport in den nächsten Jahren an sehr schmerzlichen Stellen beschnitten wird, damit die nun festgestellten Mehrkosten gedeckt werden können.

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