Demonstrationsverbot in Baden-Württemberg: Gute Idee, schlechte Umsetzung

Mit einem geplanten Gesetz der baden-württembergischen Landesregierung ließe sich fast jeder Protest verhindern. Dagegen wird jetzt protestiert.

Das neue Gesetz verhindert nicht nur Aufmärsche von Neonazis, sondern auch Proteste ihrer Gegner. Bild: dpa

STUTTGART taz Immer wieder eskortiert die Polizei Neonazis durch einen Pulk von Gegendemonstranten, und nicht nur Politiker wie Hagen Kluck fragen sich, warum solche Versammlungen nicht verboten werden können. Kluck ist Innenexperte der Regierungspartei FDP im baden-württembergischen Landtag und hofft, mit einem Gesetz Neonazidemonstrationen ein Ende bereiten zu können.

Gut gemeint, schlecht ausgeführt, fürchten Kritiker. Denn das Demoverbot könnte so ziemlich alle Versammlungen treffen. Gewerkschaften, Anwaltsverein, Gruppen wie Attac, BUND, Greenpeace oder Parteien wie Grüne und Linkspartei gehen deshalb am heutigen Samstag ab 14 Uhr in Stuttgart auf die Straße: Das Gesetz torpediere die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, glauben sie. Uli Sckerl, grüner Innenexperte im Landtag, schimpft, das neue Gesetz ziele darauf ab, "abzuschrecken, einzuschränken, zu verbieten und zu überwachen". Der Anwaltsverband nimmt den Entwurf mit "großer Sorge zur Kenntnis", sein Urteil: verfassungswidrig.

Das Gesetz enthält viele unbestimmte Regelungen, deren Interpretation der Polizei und den Ordnungsämtern überlassen ist. So darf bei Demonstrationen schon bisher niemand eine Uniform tragen. Künftig aber sollen auch "gleichartige Kleidungsstücke" untersagt werden, wenn sie dazu da sind, "den Eindruck der Gewaltbereitschaft zu vermitteln, die Bevölkerung einzuschüchtern und den öffentlichen Frieden zu stören". Kritiker wie der DGB bemängeln, dass hier die Polizei im Einsatz völlig subjektiv über die Wirkung von Kleidungsstücken entscheiden darf - etwa, ob auf Parkas aufgenähte durchgestrichene Hakenkreuze einschüchternd wirken.

Versammlungen zu sprengen, dürfte nach dem Gesetz künftig ebenfalls ein Leichtes sein: Der Leiter muss sie auflösen, wenn er Gewalttätigkeiten nicht verhindern kann. Die Möglichkeit einer Unterbrechung gibt es nicht mehr. "Künftig haben also andere in der Hand, unsere Versammlungen zu sprengen", sagt DGB-Sprecher Jürgen Klose.

Praktisch machen die Regelungen viele Demonstrationen künftig unmöglich: Sämtliche Ordner müssen den Behörden vorab mit Name, Adresse und Geburtsdatum gemeldet werden. Die dürfen die persönlichen Daten so lange speichern, "soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle erforderlich ist", heißt es in dem Gesetz. Eine feste Frist gibt es also nicht. Für Großdemonstrationen, so fürchten Kritiker, würden sich schlicht nicht genug Ordner finden, da potenzielle Helfer von der Speicherung ihrer Daten abgeschreckt werden. Falls die Meldepflichten verletzt werden, droht dem Versammlungsleiter eine Geldbuße von bis zu 3.000 Euro. Falls die Behörden Ordner für ungeeignet halten, dürfen sie die Personen ablehnen. Die Interpretation von "ungeeignet" bleibt den Beamten überlassen.

Das Gesetz erinnert an die ebenfalls umstrittene bayerische Regelung, über die derzeit das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Der DGB hat eine Klage gegen die baden-württembergische Variante angekündigt, falls Innenminister Heribert Rech (CDU) keine überarbeitete Version vorlegt. Momentan laufen weitere Anhörungen, der Zeitpunkt der Verabschiedung ist offen. Auch FDP-Experte Kluck will noch Änderungen durchsetzen: "Wir werden alles korrekt formulieren."

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