Rote-Kreuz-Expertin über Klimagefahren: "Wir konkurrieren mit den Eisbären"
Auch für das Rote Kreuz hat der Klimawandel Konsequenzen, sagt die Klimaexpertin Madeleen Helmer. Denn die wetterbedingten Katastrophen und Infektionsrisiken nehmen zu.
taz: Frau Helmer, das Rote Kreuz ist das Symbol für Erste Hilfe. Gibt es eine Erste Hilfe gegen den Klimawandel?
Madeleen Helmer leitet das Rote-Kreuz-Klimazentrum und beobachtet die Klimaverhandlung in Poznan.
Madeleen Helmer: Das Rote Kreuz ist mehr als eine Organisation für Erste Hilfe. Inzwischen wissen wir, dass es zwar wichtig ist, nach einem Unglück zu helfen, aber noch wichtiger, die Auswirkungen zukünftiger Katastrophen zu reduzieren. Also investieren wir jetzt mehr und mehr in Programme wie etwa Frühwarnsysteme und auf langfristige Trends wie Migration oder eben den Klimawandel.
Haben sich denn die Katastrophen verändert, bei denen Sie helfen?
In den letzten zwanzig Jahren verzeichnen wir eine Verdopplung der Katastrophen, die mit dem Wetter zusammenhängen, vor allem Überflutungen und vor allem in Asien. Die Einsätze des Internationalen Roten Kreuzes haben sich in den letzten drei Jahren ebenfalls verdoppelt. Alle diese Trends zeigen nach oben, und das kann nicht nur daran liegen, dass wir genauer hinsehen.
Welchen Einfluss hat das auf die Gesundheitslage der Bevölkerung?
Durch Überschwemmungen wird die Situation bei Wasser und Abwasser natürlich jedes Mal schlechter, weil Trinkwasser verunreinigt oder stehendes Wasser verseucht wird. Die langfristigen Perspektiven für Asien sind besorgniserregend: Die Gletscher schmelzen, und das bedeutet zuviel Wasser jetzt und zu wenig Wasser in der Zukunft. Tief liegende Küstengegenden sind jetzt schon von Versalzung durch steigenden Meeresspiegel betroffen, das beeinträchtigt die Ernten und die Ernährungssicherheit, und das hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheitslage der Bevölkerung.
Wer wird am meisten unter diesen Gesundheitsproblemen leiden?
Die Ärmsten der Armen. Arme Gegenden in den Städten werden überflutet oder leiden am meisten unter Hitzewellen. Das ist eine Brutstätte für Denguefieber. Die Ärmsten leiden bereits jetzt am meisten unter Naturkatastrophen, und der Klimawandel verschärft das noch.
Und vergessen Sie nicht, dass diese Menschen zur Entstehung des Problems, nämlich zum Ausstoß von Kohlendioxid am wenigsten beitragen. In den Industriestaaten ist die ältere Generation am stärksten von den zu erwartenden Gesundheitsproblemen betroffen. Es trifft am härtesten diejenigen, die am wenigsten Ressourcen haben, sich zu schützen.
Der Klimawandel ist ein populäres Thema. Macht es das leichter, Geld und Aufmerksamkeit auf die Armen zu lenken?
Wir konkurrieren mit den Eisbären. Das klingt seltsam, ist aber eine Tatsache. Es ist traurig, dass das Schicksal der Eisbären offenbar mehr Menschen erreicht als zehntausende von Mitmenschen, die von Überflutungen oder Hitzewellen bedroht sind. Es ist auch ein Problem, dass in den Ländern des Nordens, wo die Schäden noch längst nicht so groß sind, viel mehr in Anpassung investiert wird als im Süden. Hier in den Niederlanden etwa geben wir viel mehr Geld aus, unser Land zu schützen, als armen Ländern zu helfen.
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