Kommentar Nahost-Konflikt: Mit voller Kraft gegen Hamas

Israels Militärschlag gegen die Hamas bestraft nicht nur deren Verhalten. Vielmehr versucht Verteidigungsminister Barak im Wahlkampf mit harter Linie gegen Islamistenherrschaft zu punkten.

Der israelische Militärschlag gegen die Hamas im Gazastreifen ist gewaltig. Und er trägt die Handschrift von Israels Verteidigungsminister Ehud Barak. Keine Rücksicht, keine Gnade. So ist er in seiner militär-politischen Karriere noch immer mit den Palästinensern umgesprungen, wenn er sie denn zum Feind erklärt hat. Die Zahl der zivilen Opfer unter den Palästinensern gehört zum Kalkül erbarmungsloser militärischer Abschreckung. Die Aufkündigung der Waffenruhe durch die Hamas und die ebenso sinn- wie wirkungslosen Einschläge der Katjuscha-Raketen dienen dabei nur als Vorwand, um ein mittelfristig bedeutenderes Ziel zu erreichen, die Beendigung der Islamistenherrschaft im Gazastreifen, das Ende von Hamastan. Im israelischen Wahlkampf dürfte Barak damit punkten.

Seit dem Militärputsch der Hamas im Sommer 2006 haben Israel, die Europäische Union und die USA darauf gesetzt, die Islamistentruppe durch Isolierung, Abriegelung und Aushungern des gesamten Gazastreifens in die Knie zu zwingen. Das ist nicht gelungen. Auch eine Wiedereroberung der Macht in dem größten Freiluftgefängnis der Welt durch eine wiederaufgerüstete Fatah-Truppe als innerpalästinensischem Gegenspieler der Hamas hat sich als Illusion erwiesen. Von daher war spätestens seit Jahresbeginn klar, dass nur die israelische Armee den Sturz einer politisch und militärisch gefestigten Hamas-Herrschaft bewerkstelligen konnte. Dazu ist sie jetzt angetreten. Mit voller Feuerkraft.

Israel kann sich bei seiner Militäroffensive auf die offene Rückendeckung aus den USA und eine inoffizielle seitens der EU verlassen. Auch die arabischen Staaten, die sich erst am Mittwoch mit dem Thema befassen wollen, signalisieren nur bedingte Alarmbereitschaft. Eine militärisch gestutzte Hamas und ein in Chaos und Elend versunkener Gazastreifen könnten auf Jahresfrist den Weg für Neuwahlen freimachen, die die politisch genehmere Fatah an die Macht zurückbringt. Und die absurde Existenz zweier palästinensischer Mini-Staaten in einem geteilten und besetzten Land beenden. Das würde auch der kommenden US-Regierung unter Barack Obama eine neue Nahostinitiative erheblich erleichtern. Den Preis für dieses Kalkül zahlen die Palästinenser im Gazastreifen mit ihrem Blut.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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