Kommentar Neonazi-Demo: Jeder blamiert sich, so gut er kann

In einer Demokratie dürfen auch Rechtsradikale demonstrieren - so geschehen am Wochenende in Passau. Anstand haben die Neonazis leider nicht gezeigt.

Die Versammlungsfreiheit ist ein Stück ursprüngliche und ungebändigte Demokratie, so das Bundesverfassungsgericht. Das klingt gut und wird gerne zitiert. Doch wer den Satz ernst nimmt, muss auch akzeptieren, dass sich - wie jetzt am Wochenende in Passau - Rechtsradikale und andere Wirrköpfe versammeln und kollektiv äußern können. NPD und Konsorten hatten gegen "Polizeiwillkür" bei den Ermittlungen nach der Messerattacke auf Passaus Polizeichef Alois Mannichl demonstriert.

Die Versammlung war zunächst von der Stadt verboten worden, doch das Regensburger Verwaltungsgericht hat das Verbot aufgehoben. Überraschend war das nicht, schließlich ist fast jedes Demonstrationsverbot unnötig. Meist geht es den Ordnungsämtern auch gar nicht um die Vermeidung von Straftaten - sondern nur darum, sich möglichst weit von den Demonstranten und ihren Aussagen zu distanzieren. Die Grundrechte durchzusetzen, das wird dann den Gerichten überlassen. Schon diese Form der Arbeitsteilung ist für einen Rechtsstaat ziemlich peinlich.

Noch bedenklicher war der Grund für das Passauer Verbot: Es sei eine Verhöhnung des Opfers Mannichl zu befürchten, wenn die Ermittlungen im NPD-Umfeld als "politisch motiviert" dargestellt werden. Tatsächlich triefen die Verlautbarungen der Rechten vor Häme, zumal der gesuchte Täter immer noch nicht gefunden ist. Aber man kann Häme in einer solchen Situation ja auch nicht einfach verbieten. Und immerhin ermittelt jetzt auch die Polizei "in alle Richtungen".

Wirklich widerlich war die Absicht der Demonstranten, Lebkuchen mitzuführen - eine Anspielung darauf, dass die Attacke auf Mannichl mit einem Lebkuchenmesser durchgeführt wurde. Deshalb hat das Verwaltungsgericht verboten, Lebkuchen auf die Demonstration mitzunehmen. Solche Auflagen sind gut gemeint, bringen aber nichts - außer einer Feixvorlage für die Rechten. Sollen die sich doch mit ihren widerwärtigen Späßen in aller Öffentlichkeit blamieren. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, Demonstranten Anstand beizubringen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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