„Voll der krasse Plan!“

Eindrucksvoll und erschreckend: Die Doku „Jesus’ junge Garde“ (23.30 Uhr, ARD) zeigt die neuen Pop-Missionare

Das Brandenburger Tor im Jahr 2003. Vor einer Bühne drängen sich 10.000 Teenies: Köpfe bewegen sich ekstatisch, Augen strahlen wie von künstlichen Rauschmitteln angeknipst. Aber die hier brauchen keine Drogen. Sie sind wegen Gott da. Und Gott wirkt viel krasser als LSD. Ein junger Mann brüllt ins Mikrofon: „Lasst uns zu Gott rufen!“

Die Dokumentation „Jesus’ junge Garde“ stützt die These, dass Jugendliche wieder glauben. Die Kreisch-Kinder sind Sympathisanten von „The Call“ (Der Ruf), der Erweckungsbewegung fundamentaler Christen. In den USA schon politisch mächtig, soll sie nun weltweit die Menschen zu Gott bringen. Lou Engle, „godfather“ der US-Gemeinschaft, sieht gerade in Deutschland Potenzial: Nach falschen Führern bräuchte die Jugend endlich eine gute Leitfigur.

Ein Jahr lang haben Jobst Knigge und Britta Mischer die deutsche christliche Rechte begleitet – ob beim Heilerseminar an der „Holy Revolution School“ in Hessen oder bei Protestaktionen von Engle und seinen Jüngern in den USA. Der Film zeigt, wie „The Call“ seine Schäfchen gewinnt und durch gruppenpsychologische Rituale formt. Am Ende brechen die Zöglinge den Kontakt zu ihrem vorigen Leben ab. Irdische Güter wie CDs landen im Müll. Was bleibt, ist Gott.

Zwei Personen stehen für das deutsche „The Call“: Ben-Rainer Krause, 33, trägt Glatze und will die „heilige Revolution“. In seinem früheren Leben hat er Einzelhandelskaufmann gelernt. Am 2. September 2000 erlebt er in Washington eine Massenandacht mit. Er fühlt sich berufen, kündigt den Job. Jetzt will er Deutschland mit dem Glaubensfieber infizieren. Sein Helfer ist der hübsche Esbjörn. Der 20-Jährige war mal ein kiffendes Sorgenkind. Heute missioniert er ungläubige Kids auf der Straße. Mit Trucker-Käppi und zerrissenen Jeans sieht er aus wie sie. Seine Botschaft: „Ey Alter, Gott hat voll den krassen Plan mit dir!“

„Jesus’ junge Garde“ macht deutlich, was junge Menschen so plötzlich zu Gott drängt. Es sind die popkulturellen Rauschmittel, denen sich die Bewegung bedient: Idole, die früher in der Raucherecke, heute auf Gott stehen. Hysterische Massengebete, Popmusik. Riecht es hier nach Scientology? Das weisen die Filmemacher strikt zurück: Die Kids müssten ja nichts zahlen. Oder fast nichts. Am Ende scheint der gute Zweck jede Gefahr zu besiegen. Es geht hier schließlich um den lieben Gott!

Die Bilder des Films erstaunen und erschrecken: Jugendliche brechen zusammen, nachdem der Heilige Geist in sie gefahren sein soll, sprechen wie mit fremden Zungen, heulen vor Glück. Bei so viel effektiver Verführung will man vor diesem Film fast warnen: Vorsicht, Ansteckungsgefahr! Nicht geeignet für Jugendliche unter 18 Jahren! VAI