: Schlechte Luft bei den Sozialdemokraten
KLIMA Die meisten Ministerien haben auch unter Schwarz-Rot lieber Billig- statt Ökostrom gekauft
Matthias Miersch, SPD-Fraktion
BERLIN taz | Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion kritisiert seinen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und andere Minister der großen Koalition. Es sei „zu bedauern“, so Matthias Miersch zur taz, dass weite Teile der Bundesregierung damals das erklärte Ziel ignorierten, „umweltpolitisch verantwortungsvolle und vorbildliche Energiekonzepte zu realisieren“.
Die meisten Ministerien der letzten Bundesregierung hatten Strom bestellt, der besonders günstig ist, bei dessen Herstellung aber auch viel CO2 produziert wird. Nur die SPD-Minister Sigmar Gabriel (Umwelt) und Wolfgang Tiefensee (Verkehr) hatten sich für Ökostrom entschieden. Neben allen Ministern der Union hatten auch die SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier (Außen), Brigitte Zypries (Justiz), Peer Steinbrück (Finanzen), Olaf Scholz (Arbeit), Ulla Schmidt (Gesundheit) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklungshilfe) lieber Billigstrom bezogen.
Die taz hatte am Mittwoch berichtet, dass das Bundeskanzleramt und viele Ministerien zuletzt mit einer offenen Ausschreibung nach dem europaweit billigsten Stromanbieter gesucht hatten. Den Zuschlag erhielt die RWE-Tochter Envia. Deren Strom besteht zu einem besonders hohen Anteil aus fossilen Energieträgern. Jede Kilowattstunde verursacht 674 Gramm CO2, der Bundesdurchschnitt liegt bei 541 Gramm. Der parallel eingekaufte Ökostrom ohne CO2-Emissionen war 14 Prozent teurer.
„Das ist ein fatales Signal“, meint Thorben Becker, Leiter der Klimaschutzabteilung des Bundes für Umwelt und Naturschutz. „Die Kanzlerin redet viel von Klimaschutz, aber wenn es um Umsetzung geht, kommt wenig.“
Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell lässt das Preis-Argument nicht gelten. „Wer das sagt, hat nicht verstanden, wie wichtig Klimaschutz ist.“ Außerdem werde der Preise für Ökostrom in den nächsten Jahren ohnehin unter den Preis für konventionellen sinken: „Je stärker Ökostrom jetzt nachgefragt wird, umso schneller wird er billiger.“
Jedes Ministerium hat die Wahl, ob es Ökostrom oder Billigstrom einkauft. Für Letzteren hatte sich etwa Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) entschieden. Grundsätzlich sei Klimaschutz zwar „ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung“, teilt ihre Pressestelle mit. Doch beim Strom habe man sich „nach dem Grundsatz des wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Steuermitteln“ entschieden. In Berlin verbraucht das Ministerium jährlich 473.000 Kilowattstunden und verursacht damit 318 Tonnen CO2. SEBASTIAN HEISER