Kolumne press-schlag: Es geht um alles. Immer

Toni Kroos, designierter Retter Deutschlands, geht nach Leverkusen. Endlich, stöhnt die Fußballnation.

"Ausgerechnet jetzt", werden die einen sagen, auch weil sie sich sicher sind, dass ihre Bayern beim Hamburger SV nicht verloren hätten, wenn er mitgespielt hätte. Jetzt müssen die Bayern ohne Toni Kroos Meister werden. Endlich, werden die anderen sagen, die nicht mit ansehen können, dass einer wie der Toni, ihr Toni, unser Toni, einfach nicht mitspielen darf.

Denn der Toni soll spielen - egal wo. Damit er es einst richten kann. Es geht um die Zukunft des deutschen Fußballs. Der Wechsel von Kroos auf Leihbasis nach Leverkusen, er wurde verkündet, als gerade die Samstagspartien des 18. Spieltages liefen. Die wenigsten Zuschauer in den Stadien hätten sich beschwert, wenn die Spiele unterbrochen worden wären, um die Personalie zu verkünden. Denn Fußballdeutschland ist sich einig: Toni Kroos, 19, ist unser größtes Talent.

Warum ist sich die Kickernation eigentlich so sicher? Wer hat Kroos eigentlich einmal spielen sehen? Wer hat ihn gar glänzen sehen? Egal. Wir brauchen einen Superstar. Einen, der einmal Weltfußballer werden kann. Kroos ist bei der U17-WM des Jahres 2007 in Südkorea zum besten Spieler des Turniers gewählt worden. Er war also so etwas wie der Jugendweltfußballer. Das waren weder Lukas Podolski noch Bastian Schweinsteiger je. Doch, die lieben wir auch. Aber es reicht uns einfach nicht mehr, alle zwei Jahre, immer wenn EM oder WM ist, in einen Schweini-Poldi-Taumel zu verfallen. Wir brauchen einen, den die anderen auf der Welt auch anhimmeln. Michael Ballack ist 14. geworden bei der Wahl zum Weltfußballer 2008. Das ist schon o. k., reicht uns aber nicht.

Lange ist es noch nicht her, da gab es schon einmal einen, dem Deutschland alles, aber auch wirklich alles zugetraut hat. Sebastian Deisler war in den unseligen Jahren des Rumpelfüßlertums vom deutschen Fußballfußvolk zum Messias auserkoren worden. Auch er wurde angebetet, bevor er wirklich zeigen konnte, wie gut er sein kann. Dass er nicht mehr Fußball spielt, liegt auch daran, dass viele viel zu viel von ihm erwartet haben. Mensch, Deisler, du musst uns verstehen! Der beste deutsche Fußballer deiner Jahre, er konnte nicht Fußball spielen. Trotzdem, danke für alles, Oliver Kahn!

Vielleicht aber wird ja ein ganz anderer zum Heilsbringer des deutschen Fußballs. In dieser Woche hat ein englischer Verein namens West Ham United einen 19-jährigen deutschen Jugendnationalspieler namens Savio Nsereko für 11 Millionen Euro von einem italienischen Zweitligisten namens Brescia Calcio gekauft.

Ronaldo, Messi, Kaká - es gibt so viele eingeborene Söhne des Fußballgottes. Da muss doch auch einmal wieder einer auf Deutschland herniederkommen! Wir glauben daran.

ANDREAS RÜTTENAUER

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