BVB-Hoffnung Nuri Sahin: "Ich gebe mir keine Zeit mehr"
Der BVB-Profi Nuri Sahin weigert sich, als ewiges Talent zu verkümmern. Der 20-Jährige will sich durchsetzen - und zwar jetzt.
DORTMUND taz "Ich weiß, dass ich jetzt den nächsten Schritt machen muss", sagt Nuri Sahin, der in schwarzer Wollmütze und schwarzem Trainingsanzug im Leistungszentrum von Borussia Dortmund sitzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Klar, er will in die erste Elf. Doch das ist für ihn, der mit 16 Jahren und 335 Tagen jüngster Bundesliga-Debütant aller Zeiten war, nicht einfach. Auf gerade einmal zehn Ligaspiele hat er es in dieser Saison gebracht, nur einmal stand er 90 Minuten auf dem Platz.
Mit seinen 20 Jahren spielt der in Lüdenscheid geborene Türke bereits seine vierte Saison als Profi. Wenige waren so früh so gut wie er, keiner hat kurz hintereinander so viele Superlative aufgestellt: jüngster Spieler im Europapokal aller Zeiten, jüngster Bundesliga-Torschütze aller Zeiten, jüngster türkischer Nationalspieler und jüngster Torschütze im Trikot seiner Nationalelf aller Zeiten.
Je länger die Liste dieser Bestmarken wurde, für die Sahin allesamt zwischen Juli und November 2005 sorgte, desto größer wurden Lob und Anerkennung. Als weltweit größtes Talent unter 18 Jahren bezeichnete ihn Arsenal-Coach Arsene Wenger. Sahin sei die Zukunft von Borussia Dortmund, sagte Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer eines damals hoch verschuldeten und im sportlichen Mittelmaß versinkenden BVB, als dessen vermeintlicher "Retter" der blutjunge Sahin wahrgenommen wurde.
Er habe sich zwar von niemandem unter Druck setzen lassen, sagt er rückblickend, habe in dieser Situation aber immer häufiger mit den eigenen Ansprüchen zu kämpfen gehabt: "Ich wollte immer den tödlichen Pass spielen oder das entscheidende Tor machen. Ich wollte in jedem Spiel an die Grenze gehen." Kein Wunder, hatte er es doch mit genau dieser Einstellung in Rekordzeit vom RSV Meinerzhagen im Sauerland zum international begehrten Toptalent gebracht. Doch im Profi-Alltag wurde aus den hohen Erwartungen zunächst Ernüchterung. Um unter Trainer und Förderer Bert van Marwijk fester Bestandteil der Mannschaft zu werden, reichte es zwar. Doch als van Marwijk ging und Thomas Doll kam, blieb für Sahin kein Platz mehr im Kader - eine Erfahrung, die wohl jeden Fußballprofi einmal heimsucht, allerdings selten mit gerade mal 18 Jahren. 2007 wurde Nuri Sahin für ein Jahr an Feyenoord Rotterdam ausgeliehen.
"Die Nachricht hat mich geschockt", sagt er rückblickend, "aber im Nachhinein muss ich Thomas Doll vielleicht sogar dankbar sein." Denn etwas Besseres als der Wechsel nach Rotterdam hätte ihm wohl nicht passieren können. 29 Pflichtspiele, sechs Tore und der Gewinn des niederländischen Pokals sprechen für sich. "In Rotterdam ist er robuster geworden. Nur ist es natürlich noch ein Sprung von der holländischen zur deutschen Liga, und das ist nun die nächste Aufgabe, die er zu bewältigen hat", sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc.
Doch als Sahin im vergangenen Sommer nach Dortmund zurückkehrte, verletzte er sich und verpasste die Vorbereitung. Das Resultat ist die maue Bilanz aus der Hinrunde, Sahins wahrer Durchbruch in der Bundesliga lässt weiter auf sich warten. Ist er trotz aller Rekorde auf dem Weg zum ewigen Talent? "Die Frage kann ich selbstbewusst verneinen", antwortet er. "Ein ewiges Talent bin ich nicht und werde ich nicht sein."
Mit einem Treffer in der letzten Hinrundenpartie gegen Gladbach und zwei Toren in Testspielen während der Winterpause hatte er BVB-Trainer Jürgen Klopp vor dem Spiel gegen Bremen gute Argumente geliefert, ihn von Beginn an aufzustellen. Doch Klopp entschied sich dagegen, Sahin kam mal wieder von der Bank. Sowohl für ihn als auch für Borussia Dortmund, das jetzt nur noch in einem von ursprünglich drei Wettbewerben vertreten ist, hätte ein erfolgreicher Start in das Jahr 2009 anders aussehen sollen.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass er die Karriere macht, die er sich erträumt. Weil Einstellung plus Talent plus Charakter im Fußball belohnt werden", sagt Klopp. Zu welchem Verein oder in welches Land diese Karriere mal führen soll, darüber macht sich Nuri Sahin keine Gedanken. Zu lange ist er jetzt schon als Profi dabei, als dass er nicht um die Vergänglichkeit solcher Pläne wüsste. Bis 2010 steht er bei Borussia Dortmund unter Vertrag und weiß, worauf es in dieser Zeit ankommt. "Ich sehe mich nicht mehr als Talent. Ich gebe mir keine Zeit mehr. Wie gesagt: Ich will Stammspieler werden. Das ist vorerst alles."
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