Senator Lines wird abgewickelt: Aus der Bremer Seefahrer-Traum

Die jetzt abgewickelte Reederei "Senator Lines" ist ein Kind der staatlichen Bremer Wirtschaftspolitik: Der Stadtstaat wollte wieder eine Rolle spielen beim Containerverkehr rund um die Welt

Bremen und die große Schifffahrt - heute bleibt davon nur Nostalgie für Touristen Bild: dpa

Von Klaus Wolschner

Mit der Abwicklung der Reederei "Senator Lines" geht ein Kapitel bremischer Wirtschaftspolitik zu Ende. "Senator Claus Grobecker hat die damals gegründet", erinnert sich der frühere Vulkan-Chef Friedrich Hennemann. Formal gesehen ist "Senator Lines" 1987 als eine Tochterfirma der Vulkan-Werft gegründet worden. Doch die gehörte zu einem Teil dem Staat: Zehn Jahre zuvor hatte der Bremer Senat 25 Prozent der Vulkan-Anteile gekauft, um die Werft zu retten - und mischte sich kräftig ein in die Industriepolitik. Grobecker, damals Finanzsenator, vertrat Bremen im Vulkan-Aufsichtsrat, und Werftindustrie und Schiffbau waren wichtige Industriezweige in Bremen, wichtiger als der Automobilbau. "Wir wollten Hapag Lloyd Paroli bieten", sagt Grobecker heute zu seinem damaligen Motiv. Hapag Lloyd, das ist die Hamburger Reederei, die die Bremer Reeder vom "Norddeutschen Lloyd" geschluckt hatte. Bremen wollte mit einem "Rund-um-die-Welt"-Container-Service wieder ganz vorne mitspielen. "Vielleicht war es auch eine Trotzreaktion", räumt Grobecker ein. Jedenfalls hatte er einen Hapag-Lloyd-Manager abgeworben für die Senator Lines, und anfangs liefen die Geschäfte auch gut.

Die "Senator Lines" hatte einen weiteren Zweck, der Bremen damals giftige Kritik aus Hamburg einbrachte: "Um die Werften auszulasten, finanzierten die Bremer, teils über private Geldgeber, teure Containerschiffe, die von der Bremer Senator Linie zu Überpreisen gechartert werden", schrieb der Spiegel.

Dass damals die Politik kräftig in der Wirtschaft mitmischte, sah man in Hamburg nicht gern. Vom Vulkan-Aufsichtsratschef Walter Behrmann zitierte der Spiegel einen Satz als wäre es ein Geständnis: "Wenn der Bürgermeister einen Wunsch hat", versichert er treuherzig, "kann Herr Hennemann doch nicht nein sagen." Der Deal lief schlicht so: Der Vulkan baute ein Schiff, die Senator Lines charterte es und garantierte damit die Rendite für einen Käufer. Oftmals war der in Wahrheit eine Tochter des Vulkan-Konzerns, ein "fingierter Käufer". "Aber wir haben unser Geld zurückbekommen", sagt Grobecker heute stolz - sowohl die Vulkan-Aktien wie die Schiffsanteile konnte Bremen zum richtigen Zeitpunkt mit Gewinn verkaufen.

Erst mit Beginn der großen Koalition Mitte der 90er Jahre verweigerte sich der Bremer Senat, als der Vulkan erneut Krisenintervention erwartete. Ausgerechnet die Commerzbank, die heute von der Bundesregierung mit Staatsintervention gerettet wird, zog sich damals aus der Finanzierung der Bremer Weft zurück. Und die große Koalition lehnte unter dem Einfluss der CDU jegliche weitere Krisenintervention zugunsten der Werft ab. 1997 übernahm der koreanische Hanjin-Konzern 80 Prozent der Anteile an der Senator Lines. "Das, was Bremen damals mit dem Vulkan und der Senator Lines gemacht hat, ist doch dasselbe, was die Bundesregierung heute mit der Commerzbank macht", sagt Hennemann heute - und sieht sich im Nachhinein gerechtfertigt. Die Debatte, die es in den 90er Jahren erst außerhalb Bremens und mit Beginn der Regierungsbeteiligung der CDU auch im Bremer Senat über die "Staatshilfe für eine strukturrelevante Industrie" gegeben habe, sei heute, in Zeiten der Finanzkrise und der neuen Debatte über die Rolle des Staates, "vom Tisch". Man habe damals "alles richtig gemacht", sagt Hennemann heute. Seit 12 Jahren nun habe es die Bremer Justiz nicht geschafft, den Vorwurf der "Veruntreuung", dem er sich wegen seiner Finanz-Politik im Vulkan-Konzern ausgesetzt sieht, zu klären. Das Verfahren ist immer noch anhängig. Eigentlich habe er von einem Rechtsstaat etwas anderes erwartet, sagt Hennemann.

Hanjin saniert sich zu Lasten der Bremer Tochter

Zuletzt hatte die Senator Lines, die in Bremen an der Martinistraße 98 ihre 171 Mitarbeiter beschäftigt, keine eigenen Containerfrachter mehr, sondern nur Stellfläche gechartert und teilte sich so Linien mit anderen Reedereien - vor allem der eigenen Konzernmutter Hanjin. Senator Lines bot 14 Liniendienste an, davon zehn auf der heiß umkämpften Strecke Asien-Europa. Drei dieser Dienste hatte Hanjin schon im Laufe des Winters eingestellt. Eigene Schiffe hat Senator Lines nie besessen - auch nicht in ihren Anfangsjahren.

Hanjin hat seinen Bremer Sitz an der Schlachte mit gerade neun Mitarbeitern. Trotzdem will sich Hanjin jetzt offenbar zu Lasten der Bremer Tochter sanieren. Hanjin will die gecharterte Stellfläche übernehmen und auch die laufenden Aufträge der Senator Lines, aber offenbar nicht die MitarbeiterInnen. Auf der Betriebsversammlung am Mittwoch, auf der die Mitarbeiter von der kurzfristig bevorstehenden Schließung der Senator Lines überrascht wurden, war davon jedenfalls nicht die Rede - die Sozialplan-Verhandlungen beziehen sich auf alle Beschäftigten.Von der Hanjin-Europazentrale in Hamburg gibt es dazu keinen Kommentar.

In der Branche hat das Ende von Senator Lines nicht für Überraschung gesorgt. Die Reederei galt nicht als besonders profitabel und habe meistens Verluste geschrieben, heißt es. Hanjin habe schon seit einer Weile versucht, die Senator Lines zu verkaufen. Die großen Reedereien sind weltweit dabei, ihre Flotten zu verkleinern. Nach Angaben des Verbands deutscher Reeder liegt derzeit 6,5 Prozent der weltweiten Containerflotte still. In der Krise Mitte der achtziger Jahre hatte der Anteil der aus dem Verkehr gezogenen Frachter höchstens fünf Prozent betragen.

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