Kommentar Schuldenverbot: Kein Bremsen in der Krise!

Um die Staatsverschuldung zu vermeiden, soll im Grundgesetz nun eine Schuldenbremse verankert werden. Gute Idee - aber nicht, wenns drauf ankommt.

Die Schuldenbremse wird nicht funktionieren - aber sie ist eine schöne Idee: Denn wenn die große Koalition jetzt beschließt, eine zusätzliche Staatsverschuldung mehr oder weniger zu verbieten, wird es künftig schwerer sein, die nachfolgenden Generationen mit immer neuen Krediten zu belasten. Trotz dieses heilsamen Zwangs zur Sparsamkeit wird aber eine hohe Neuverschuldung nach wie vor möglich sein - und praktiziert werden: Auch künftig kann jede Regierungskoalition mit ihrer Stimmenmehrheit im Bundestag den wirtschafts- und finanzpolitischen Ausnahmezustand ausrufen. Und das aus gutem Grund: Die gegenwärtige Krise könnte die Regierung mit dem grundsätzlichen Schuldenverbot nicht so bekämpfen, wie sie es zurzeit tut.

Die negativen Folgen der Schuldenbremse zeigen sich in einem Gedankenexperiment. Wäre die Bundesregierung im Stande, ihr gegenwärtiges Konjunkturprogramm durchzuführen und die Rettungsmilliarden für Banken auszugeben, wenn die Neuregelung bereits existierte? Nein. Denn sie wäre nicht in der Lage, die krisenbedingte Verschuldung innerhalb desselben Konjunkturzyklus zurückzuzahlen. Genau das aber soll die Verfassungsänderung festlegen. Nehmen wir an, die zusätzliche Verschuldung betrüge 100 Milliarden Euro: Die Regierung müsste diese Summe während des Aufschwungs tilgen, der der Krise folgt. Dauerte der Boom beispielsweise vier Jahre, würde jedes Jahr eine Rückzahlung von 25 Milliarden Euro fällig. Das aber wäre schwierig, wenn nicht illusorisch. Solche Haushaltsüberschüsse gab es in den vergangenen Jahrzehnten schlicht nicht. Das notwendige Geld ließe sich nur durch Steuererhöhungen aufbringen. Aber keine der ab 2009 wahrscheinlichen Regierungskoalitionen wird das tun.

Ein im Extremfall untaugliches Mittel muss aber nicht schlecht sein. Wenn die Schuldenbremse nur in normalen konjunkturellen Zeiten wirkt, ist das schon eine ganze Menge. Sollte sie in tiefen Krisen hingegen außer Kraft gesetzt werden, kann auch das sinnvoll sein, um die Wirtschaft nicht vollends abzuwürgen.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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