Kommentar Demorecht: Ein Grundrecht verstehen

Das Bundesverfassungsgericht hat das Versammlungsgesetz teilweise eingeschränkt. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Karlsruhe hat die Probleme für das Demonstrationsrecht immerhin gesehen, wenn auch noch nicht wirksam beseitigt. Der Eilbeschluss zum bayerischen Versammlungsrecht ist ein Schritt in die richtige Richtung und lässt auf ein liberales Urteil in der Hauptsache zumindest hoffen.

Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Kamerabeobachtung von Demonstrationen einschüchternd wirkt. Auch anderen bayerischen Erfindungen, wie dem vagen Verbot militanter Kleidung, hat das Gericht korrekt attestiert, dass sie die Bürger vom Gebrauch ihrer Grundrechte abschrecken können.

Doch der Karlsruher Eilbeschluss ist halbherzig. So bleibt etwa die Kamerabeobachtung von größeren Demos zulässig; die Bilder dürfen nur nicht gespeichert werden. Kann so eine Einschüchterungswirkung ausgeschlossen werden? Wie sollen Demonstranten erkennen, ob die Bilder nur übertragen oder doch gespeichert werden? Im Interesse einer möglichst unbeschränkten Demonstrationsfreiheit gibt es nur eine Lösung: keine staatlichen Kameras auf friedliche Demonstrationen.

Ein anderer Kardinalfehler des bayerischen Gesetzes ist gestern noch gar nicht zur Sprache gekommen, weil die linken Kläger hier die CSU-Linie voll mittragen: die gezielte Erschwerung rechtsradikaler Versammlungen. Wenn schon die drohende "Verharmlosung" des Nationalsozialismus zu Versammlungsverboten führen kann, ist nicht nur der Willkür Tür und Tor geöffnet. Zwischen erwünschten und unerwünschten Demonstrationen zu unterscheiden, führt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ad absurdum. Demonstrationen sind nun mal vor allem für diejenigen wichtig, die unliebsame Meinungen äußern wollen und keinen Zugang zu den Mainstream-Medien haben. Der Staat hat sich deshalb jeder Bewertung der Positionen einer Kundgebung zu enthalten. Wer - wie die Kläger - nur für sich selbst Demonstrationsfreiheit fordert, für seine politischen Gegner aber ein stark eingeschränktes Feind-Versammlungsrecht mitträgt, hat von diesem Grundrecht wenig verstanden. Auch hier wird Karlsruhe hoffentlich im endgültigen Urteil noch wirksam gegensteuern.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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