Jon Stewarts "Daily Show": Komiker, Bürger, Säugetier

Die politische Satire in Amerika erlebt mit Jon Stewarts "Daily Show" ein goldenes Zeitalter. Doch die eigentliche Zielscheibe der Kritik sind nicht Politiker, sondern die Medien.

Einen Komiker? Einen Entertainer in einer Late-Night-Sendung? Jon Stewart in seiner "Daily Show" Bild: dailyshow.com

Der 12. März war kein guter Tag für Jim Cramer. An diesem Tag war der prominente Börsenexperte zu Gast in der Daily Show, nachdem die Satireshow eine Woche lang Kramer und seinen Arbeitgeber, den Business-Sender CNBC, aufs Korn genommen hatte.

Anlass für das Gespräch war ein Beitrag der Daily Show, angestoßen durch einen CNBC-Börsenreporter, der sich von den geplanten Hilfsgeldern für angeschlagene Amerikaner, die nicht in der Lage sind, ihre zum Häuserkauf aufgenommenen Kredite zu bezahlen, angewidert zeigte.

"Habt ihr etwa Lust, die Schulden dieser Verlierer zu bezahlen?", rief er Anfang März in die Menge auf dem Floor der Chicagoer Börse, die ihm mit Buhrufen antwortete. Die Daily Show griff diesen Clip heraus und ließ ihm eine achtminütige Montage folgen, die die blinde Gefolgschaft des Senders CNBC vor dem Hintergrund kollabierender Banken Revue passieren ließ. Innerhalb weniger Stunden war der Beitrag eine Internetsensation. "Stewart ist der scharfsinnigste Kulturkritiker im Land", stellte das renommierte Fachblatt Columbia Journalism Review auf seiner Webseite fest.

Cramer, ein früherer Hedgefonds-Manager, kam zum Streitgespräch, um den Schaden für das Image seines Senders zu begrenzen. Schnell stellte sich heraus, dass er sich dabei verrechnet hatte. Cramer zeigte sich reuig, er könne mit seinen Analysen nun mal nicht immer richtig liegen. Er selbst habe aber nie unmoralisch gehandelt. Wie ein Staatsanwalt ließ Stewart daraufhin Ausschnitte aus einem zwei Jahre alten Video einspielen, auf dem Cramer fröhlich erklärte, wie einfach man anhand von Gerüchten Aktienwerte manipulieren könne. "Unehrlich, wenn nicht gar kriminell" sei das Verhalten Cramers und seiner Kollegen, befand Stewart vor 2,3 Millionen Zuschauern. Das Finanznetwork habe die Chance verschenkt, ein "Instrument der Aufklärung" zu sein und habe statt dessen die Rolle eines naiven Zuschauers gespielt.

Da war wieder so ein Moment, in dem der Zuschauer sich fragen mochte, was er eigentlich gerade sah. Einen Komiker? Einen Entertainer in einer Late-Night-Sendung? Fest steht: Wenige Zeitungen oder Fernsehsender verfügen auch nur annähernd über den Einfluß der Sendung, die der amerikanische Kabelkanal Comedy Central vier mal die Woche ausstrahlt.

Jon Stewart (eigentlich Jonathan Stuart Leibowitz), ist langjähriger Standup-Komiker und Moderator einiger gescheiterter Entertainmentformate der Neunziger Jahre. Er wirkt als eine Art Chefredakteur. Für das Material sind ein gutes Dutzend Autoren sowie Rechercheure zuständig. Die Daily Show ist fake news, die Parodie einer Nachrichtensendung. Im Jahr 2008 hatte die Sendung durchschnittlich 1.8 Millionen Zuschauer. Die, so schreiben Journalisten gerne, nutzen die Comedyshow als Nachrichtenquelle. In einer Untersuchung der Zuschauer von amerikanischen Nachrichtensendungen stach das Publikum der Daily Show 2004 als am besten informierte Zielgruppe heraus.

Stewart und seine Kollegen haben das Fernsehen der Ära Bush wesentlich geprägt. Kaum machte in den vergangenen acht Jahren der Präsident oder ein Mitglied seines Kabinetts den Mund auf, folgte die Strafe auf dem Fuße: säuberlich recherchierte Videomontagen zur Veranschaulichung der Widersprüche und des Spins in der Selbstdarstellung der Regierenden. "Ich kann das Ende seiner Amtszeit gar nicht abwarten", sagte Stewart der New York Times im vergangenen Jahr. ""Als Komiker, als Mensch, als Bürger, ja, als Säugetier." Beiträge der Daily Show, so die Washington Post, gingen nicht selten über Satire hinaus und würden zu einer "spektakulären und bloßstellenden Art der Berichterstattung".

Seit dem Jahr 1998, als Stewart die Sendung übernahm, regnet es Preise und Auszeichnungen. Und es geschehen erstaunliche Dinge. Wie zum Beispiel, als Stewart in einer Umfrage zu den vertrauenwürdigsten Journalisten Amerikas auf Platz 4 kam. Oder als die Daily Show sich 2004 bei einer Preisverleihung der amerikanischen Fernsehkritiker in der Kategorie der besten Nachrichtensendung gegen traditionsreiche Formate wie Meet the Press und 60 Minutes durchsetzte. Lieblingsziel der Satire sind jedoch nicht Politiker, sondern die Medien. Besonders die privaten Nachrichtenkanäle, so David Javerbaum, Co-Autor und -Produzent, befänden sich "in einer symbiotischen Beziehung mit dem Status Quo" und hätten kein Interesse, daran etwas zu ändern.

Jon Stewart sagt Journalisten was sie falsch machen. Und viele hören begierig zu. Ein Podiumsinterview, das der intellektuelle New Yorker kurz vor der Präsidentschaftswahl 2004 mit ihm führte, ähnelte mehr einer Vorlesung über journalistische Ethik. Den Vertrauensverlust, den sie in der Öffentlichkeit erfahren habe, habe die Presse sich redlich verdient, meinte Stewart dort. In den gleichen Zeitraum fiel sein berühmter Auftritt im wenig später abgesetzten CNN-Polittalk Crossfire, in dem er die Moderatoren beschuldigte, sich für die Inszenierung eines politischen Schwarz-Weiß-Denkens herzugeben.

Erst durch Watergate,schrieb der amerikanische Autor David Foster Wallace, sei mit der Entstehung einer Glaubwürdigkeitslücke zwischen den offiziellen Dementi auf den Bildschirmen der Nation und der Realität einer Verschwörung auf höchster Ebene das ironische Potential des Fernsehens voll zur Geltung gekommen. Wenn sogar der Präsident lügt, – wem soll man da noch vertrauen? Dem Fernsehen etwa? Jon Stewart, Jahrgang 1962, ist ein Kind der Ära Nixon. Watergate habe seine politischen Ansichten tief geprägt, sagte er einmal.

Die Reverenz, mit der Medien über Stewarts Sendung berichten, stößt auch auf Kritik. "Kleinlaut" sei mancher Beitrag und zurecht geprägt vom Selbsthaß der Verfasser, spottete der Medienkritiker Norman Solomon. Jon Stewart selbst hält das überschwängliche Lob für fehlgeleitet. Einem Journalisten der einmal zu ihm sagte, es sei schwierig zu entscheiden, ob die Daily Show Satire produziere oder eine neue Art von Journalismus, antwortete Stewart, das spreche wohl entweder für den traurigen Zustand der Satire oder den traurigen Zustand des Journalismus. Eines von beidem.

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