Frankreich und das Militärbündnis: Rückkehr in die Nato bleibt umstritten

Einst betrieb Frankreichs Rechte den Austritt aus der Nato. Heute ist es die Linke, die gegen einen Wiedereintritt votiert.

Tritt ein, wo de Gaulle vor 43 Jahren austrat: Frankreichs Präsident Sarkozy. Bild: dpa

PARIS taz Zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges sowie 43 Jahre nachdem General de Gaulle sie verlassen hat, wird Frankreich Anfang April in die militärische Kommandostruktur der Nato zurückkehren. So hat es Nicolas Sarkozy, in Personalunion Staatspräsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, beschlossen. Und so durfte es am Dienstagabend das Parlament in Paris absegnen. Der Schritt zurück in den nordatlantischen Militärpakt ist in Frankreich umstritten. Um dennoch das symbolisch wichtige, aber politisch nicht unabdingbare Plazet der Abgeordneten der Nationalversammlung zu bekommen, hat Premierminister François Fillon einen taktischen Trick benutzt: Er hat die Nato-Frage am Dienstagnachmittag mit einer Vertrauensfrage über die Außenpolitik seiner Regierung verknüpft. Ziel war es, vor allem die KritikerInnen aus dem rechten Lager der Möglichkeit eines "Non" zu berauben.

Nicht weniger als vier ehemalige Premierminister haben sich vorab gegen die Rückkehr in die Nato ausgesprochen: zwei Rechte - Alain Juppé und Dominique de Villepin - und zwei Sozialdemokraten - Laurent Fabius und Lionel Jospin. Alle begründen ihre Gegnerschaft mit dem außen- und verteidigungspolitischen Handlungsspielraum und der Souveränität Frankreichs. Ihr Argument: Das Land könne seine gesamte Politik stärker prägen, wenn es außerhalb der militärischen Kommandostruktur der Nato sei. Innerhalb dieser Struktur hingegen müsse sich Frankreich US-amerikanischen Interessen unterordnen.

Sarkozy argumentiert ebenfalls mit der französischen Unabhängigkeit. Kommt aber zu einem entgegengesetzten Ergebnis. Seit seinem Wahlkampf für das Staatspräsidentenamt betreibt er die Wiederannäherung Frankreichs an Washington. Seinen Entschluss zur Rückkehr in die Nato-Militärstruktur kündigte Sarkozy im vergangenen Jahr beim Nato-Gipfel in Bukarest an. Den Vollzug will er Anfang April, wenn das Militärbündnis sein 60. Bestehen feiert, zelebrieren. Sarkozy begründet die Notwendigkeit für die französische Rückkehr in die militärische Kommandostruktur der Nato mit den vielfältigen globalen Unsicherheiten, von dem Zugang zu Wasser, Energie und anderen Rohstoffen über die Umweltzerstörung und die Wanderungsströme bis hin zur Finanzkrise, und fügt hinzu, dass Frankreich stärker sei, wenn es die Richtung der Nato mitbestimme, anstatt "lediglich" unter Nato-Kommando zu stehen. Unter anderem sind mehr als 2.800 Soldaten unter Nato-Kommando in Afghanistan im Einsatz.

Frankreich, das die Nato 1949 mitgegründet hat und anfänglich den Nato-Sitz in Paris beherbergte, zog sich 1966 aus der Kommandostruktur des Militärbündnis zurück. Anlass war die Entwicklung der atomaren Force de Frappe, die Frankreich allein kontrollieren wollte. Bei der von Sarkozy organisierten Kehrtwende der französischen Militärpolitik bleibt die Force de Frappe weiterhin unter alleinigem französischen Kommando. Die Bruchlinien innerhalb der französischen Politik freilich haben sich völlig verkehrt. In den 60er-Jahren war es der Rechte de Gaulle der auf die US-Kontrolle über Europa eindrosch. Und ein Politiker namens François Mitterrand wehrte sich damals im französischen Parlament gegen den "populistischen Alleingang mit universellen Folgen". Heute protestiert die komplette Linke gegen die Rückkehr in die Nato. Im Parlament verlangt die PS eine Überprüfung des Schrittes binnen einem Jahr. Und die KPF verlangt ein Referendum darüber. Am 4. April wollen linke und antimilitaristische Gruppen beim Nato-Gipfel in Straßburg auch gegen die französische Rückkehr in den atlantischen Hafen demonstrieren.

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