Jahresbericht der Bundeswehr: Ärztenot beim Militär
Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung kritisiert den Personalmangel bei der Bundeswehr. Vor allem Sanitätsärzte würden fehlen.
BERLIN taz Die Bundeswehr ist überbürokratisch und unterfinanziert. So lautet das Ergebnis des Jahresberichts 2008, den der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe (SPD), gestern vorgestellt hat. Robbe, der die Interessen der SoldatInnen vertritt, kritisierte die "verkrusteten bürokratischen Hürden" innerhalb der Bundeswehr. Wenn ein Soldat sechs Wochen auf Ersatz für seine kaputten Stiefel warten müsse, sei das "nicht vereinbar mit dem Anspruch einer modernen Armee".
Wie bereits im Vorjahresbericht wies der Wehrbeauftragte auf fehlendes Personal und die mangelhafte Infrastruktur in den Kasernen hin. Zwar habe das Verteidigungsministerium ein Sonderprogramm zur Sanierung auf den Weg gebracht, dies reiche jedoch nicht. "An einer laufenden und angemessenen Erhöhung des Verteidigungsetats führt vor dem Hintergrund der Zielstruktur kein Weg vorbei", sagte Robbe. Damit bezog er sich auf die wachsenden Anforderungen an die Bundeswehr, die vermehrt Aufgaben im Ausland übernimmt. Insgesamt waren Ende 2008 6.600 deutsche SoldatInnen im Ausland im Einsatz.
Besonders dramatisch hat sich laut Robbe die Personalsituation im Sanitätsdienst verschlechtert, allein im letzten Jahr haben fast 100 Ärzte die Bundeswehr vorzeitig verlassen. Als Gründe hierfür nennt der Bericht die hohe zeitliche und bürokratische Belastung sowie die Planungsunsicherheit in Hinblick auf Karriere und Auslandseinsätze. Organisation und Struktur seien bei dieser Entwicklung "grundsätzlich in Frage gestellt", sagte Robbe. Die bisherigen Maßnahmen der Regierung reichten nicht aus.
All diese Mängel belasteten die Attraktivität des Soldatenberufs, so Robbe weiter. "Ich habe Zweifel, ob das auf der Führungsebene hinreichend wahrgenommen wird", sagte er.
Dabei wird Attraktivität für die Bundeswehr immer wichtiger. Denn der Nachwuchs fehlt. Wegen des demografischen Wandels stehen der Bundeswehr immer weniger junge Männer für den Wehrdienst zur Verfügung. Gleichzeitig werden immer mehr als untauglich ausgemustert. Und das Interesse am Soldatenberuf sinkt. Als immer wichtiger für die Attraktivität der Streitkräfte nannte Robbe die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Es müssten zum Beispiel mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen und flexiblere Arbeitszeitmodelle angeboten werden. "Dafür bedarf es allerdings einer besseren finanziellen Ausstattung sowie unkonventioneller und unbürokratischer Lösungen", sagte Robbe.
Als Beispiel nannte er eine Kindertagesstätte in der Kaserne in Köln-Wahn, deren Finanzierung auf der Kippe steht. Die Bundeswehr will aber nicht auf die 50.000 Euro Miete verzichten. Robbe: "Auch dies kein Ruhmesblatt für eine moderne Armee."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!