Studie Diskriminierungsschutz: Hierarchie der Schwachen

Gerade Menschen mit wenig Geld und Konservative halten einen gesetzlichen Diskriminierungsschutz von Homosexuellen, Ausländern und Andersgläubigen für nicht notwendig.

Immer noch in vieler Augen eine unbeliebte Randgruppe: Homosexuelle beim Christopher Street Day. Bild: dpa

Große Teile der Bevölkerung stehen staatlicher Antidiskriminierungspolitik zum Schutz von Homosexuellen, Ausländern und Andersgläubigen ablehnend gegenüber. Dies sagte am Donnerstag Bodo Flaig, Geschäftsführer des Sinus-Instituts in Heidelberg. Er stellte in Berlin eine repräsentative Studie zum Thema vor, die sein Institut im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstellte.

Ermittelt wurde die Meinung der deutschsprachigen Bevölkerung ab 18 Jahren zu Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik. Dazu führten die Mitarbeiter des Sinus-Instituts intensive Befragungen von Betroffenen durch.

Eine Erkenntnis der Studie: Die Deutschen, die selbst nicht davon betroffen sind, interessieren sich kaum für Diskriminierungsfragen. Dies, obwohl hinsichtlich Ungleichbehandlung in Deutschland "offensichtlich einiges im Argen liegt", wie Flaig konstatierte. Die eigenen Sorgen wiegen aktuell offenbar schwerer: Als die für sie wichtigsten Themen gaben die Befragten die wachsende Armut im Land und die "Benachteiligung sozial Schwacher an".

Akzeptanz finden am ehesten noch die Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz und von Alten und Behinderten. Flaig erläuterte, dass es sich dabei um die "sozial Inkludierten" handelt. Das heißt: Diese Gruppen werden als Teil der eigenen Gemeinschaft wahrgenommen. Homosexuelle, Ausländer und Andersgläubige gehören demnach für eine Mehrheit der Deutschen nicht dazu.

Die Einschätzungen von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik sind in verschiedenen Milieus sehr unterschiedlich. Sich gegen Benachteiligung zu engagieren, so ein Fazit der Studie, scheint ein Anliegen der gesellschaftlichen Eliten zu sein. Für junge, modern eingestellte Leute sei Antidiskriminierungspolitik heute etwas Selbstverständliches.

Bereits bei der Gruppe der "bürgerlichen Mitte" allerdings sei eine sehr große Diskrepanz zwischen "Lippenbekenntnissen" und "Toleranz benachteiligter Gruppen einerseits" und "chauvinistischen Einstellungen und Ausgrenzungsimpulsen andererseits" festzustellen.

Gar "Hass" gegenüber Diskriminierungsschutz fand Flaig im Milieu der Konservativen und der "modernen Unterschicht" - diese Leute sähen sich selber als benachteiligt und nähmen Antidiskriminierungspolitik in erster Linie als Bevorteilung "unbeliebter Randgruppen" wahr.

Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnt der Studie zufolge Schutz vor Benachteiligung für diese als "nicht inkludiert" empfundenen Gruppen ab. Viele fänden, dass das Thema Diskriminierung von den Medien aufgebauscht wird, und sähen das wirkliche Problem darin, dass sich Angehörige von Randgruppen nicht an hier gültige Regeln hielten und sich Sozialleistungen erschleichen würden.

Die Studie kommt zum Schluss, dass die Antidiskriminierungspolitik in Deutschland in einem Dilemma steckt: Eine Mehrheit der Deutschen hält Diskriminierung zwar für unethisch und gar ökonomisch schädlich. Maßnahmen auf politischer und insbesondere gesetzlicher Ebene werden dagegen abgelehnt. Martina Köppen von der Antidiskriminierungsstelle will deshalb unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit verstärken.

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