Nach Amazon-Accountsperrung: Kindle ohne Bibliothek
Ein Kindle-Besitzer hat erlebt, was passiert, wenn man Bücher mit Kopierschutz kauft: Weil Amazon ihm den Account sperrte, verlor er den Zugriff auf seine ganze Bibliothek.
Der E-Commerce-Anbieter Amazon sieht in seinem E-Book-Lesegerät Kindle die Zukunft des Buches: Statt kiloschwere Papierberge mit sich herumzutragen, soll die Menschheit künftig mit einem einzigen Gadget ganze Bibliotheken verfügbar haben, die sich obendrein auch noch per Mobilnetz jederzeit gegen Gebühr (10 Dollar pro Titel) erweitern lassen. Die Ablesequalität soll dank elektronischem Papier dabei besonders hochwertig sein und an das analoge Original herankommen; das aktuelle Modell Kindle 2 wird noch in diesem Jahr auch in Europa erwartet.
Dass die neue Technik auch ihre Tücken haben kann, erfuhr Anfang April der amerikanische Kindle-Besitzer Ian. Dieser befindet sich derzeit nach eigenen Angaben in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten mit Amazon, weil er offenbar zu viele physikalische Produkte an den Händler zurückgegeben hatte und für diese sein Geld erstattet haben wollte. Als Reaktion sperrte der Anbieter ihm zunächst seinen Account. Das Problem: Amazon-Nutzer besitzen nur einen Zugang für alle Produkte des Konzerns, egal ob sie damit nun Katalogprodukte bestellen, sich digital Filme ausleihen oder eben Bücher für den Kindle erwerben.
Ergebnis des Streits: Ian, der im viel gelesenen E-Book-Forum "Mobile Read" auf sich aufmerksam machte, hat nun "einen 395 Dollar teuren Ziegelstein, den ich weder nutzen noch zurückgeben kann". Einzig die bereits auf dem Gerät enthaltenen Lesewerke sind noch zugänglich, doch sobald er versucht, den im Internet vorgehaltenen Lesestoff zu übertragen, funktioniert das nicht mehr.
Schuld daran ist der von Amazon und seinen Verlagspartnern sehr strikt ausgelegte Kopierschutz. Jedes Buch wird für den Nutzer "personalisiert" und ist nicht übertragbar. Wer zudem noch über Zeitungs- oder Weblog-Abonnements verfügt, die sich Amazon monatlich bezahlen lässt, schaut bei einem gesperrten Account ganz in die Röhre: Sie werden dann einfach nicht mehr heruntergeladen.
Laut "Consumerist", dem Weblog des US-Verbraucherschutzverbandes Consumers Union, ist Ians Fall keineswegs einzigartig. Wer mit Amazon etwa wegen der Lieferung an zu viele einzelne Adressen als Risikokunde eingestuft werde, könne seinen Zugang verlieren. Für Ian hatte die Sache dann noch ein Happy End: Sein Posting in "Mobile Read" ging so lange durch die Blogosphäre, bis der Amazon-Kundendienst auf ihn aufmerksam wurde und schließlich doch noch half.
Leser*innenkommentare
Barbara Kirsch
Gast
Papier ist geduldig...
Dirk "festus" Festerling
Gast
@ohno:
>"Welche "Buchhandlung in der Nähe" verkauft denn
> elektronische Bücher?"
Die in unserer Hauptmensa zum Beispiel ;-)
Zugegeben ist eine TU sicher ein spezielles Biotop
für elektronische Bücher.
Martin Reinhardt
Gast
Es ist eben ein Unterschied, ob man ein Buch kauft oder das Recht kauft, ein Buch zu lesen. Es gibt durchaus eine Menge Bücher, bei denen das recht sie zu lesen reicht. Man liest Sie ohnehin nicht öfter. Alles andere steht derzeit noch immer am besten schwarz auf weiß im Regal. Das gleiche gilt auch für Musik-Downloads. Vermutlich werden wir lernen müssen, diese Unterscheidung von Kauf zu Kauf zu treffen.
Reginald Runnon
Gast
"Dieser befindet sich derzeit nach eigenen Angaben in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten mit Amazon, weil er offenbar zu viele physikalische Produkte an den Händler zurückgegeben hatte und für diese sein Geld erstattet haben wollte."
Wuerde ich auch: Wer will denn schon "physikalische Produkte" von Amazon haben? Oder sollte die TAZ vielleicht mal besser ueberpreufen, wie man "physical products" passender uebersetzen koennte??
ohno
Gast
@Bernd Henneberg.
Welche "Buchhandlung in der Nähe" verkauft denn elektronische Bücher?
Im Übrigen kann man den Verfall des Buchhandels bedauern, aber der Zug ist doch längst abgefahren - genauso wie der der handgewebten Anzüge, selbstgenähten Schuhe und persönlich bekannten Backöfen fürs Frühstücksbrötchen.
Karl Kraus
Gast
Wer ist auch so dämlich und macht sich ohne Not von einem anonymen Konzern abhängig und schmeißt ihm bei dieser Gelegenheit auch gleich noch alle Daten über sein Leseverhalten in den Rachen? Oh Mann.
Wahrheitsprüfer
Gast
Dann kann die nächste Diktatur in Deutschland einfach die Bücher sperren, statt sie zu verbrennen.
Bernd Henneberg
Gast
Was kauft er auch seine Bücher bei Amazon? Hat er keine Buchhandlung in der Nähe?
Selbst Schuld!
M. Rudloff
Gast
Bevor dem Unmut über das vermeintlich rüde Geschäftsgebaren von Amazon eine Plattform gegeben wird, sollte der Fall genauer überprüft werden. In bestimmten Online-Foren ist offen davon die Rede, daß einige Kunden regelmäßig Technik bestellen, in der Absicht, die nach kurzzeitiger Nutzung zurückzugeben. Eine dadurch provozierte restriktivere Handhabung des Rückgaberechtes würde dann allen Kunden schaden.