Berliner Senat bangt um Mehrheit: Es wird eng für Klaus Wowereit

Eine Sozialdemokratin leidet an der SPD-Frauenpolitik, ein Linker unter Lafontaine. Schon droht der Berliner Senat seine Parlamentsmehrheit zu verlieren.

Seine Mehrheit schrumpft: Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Bild: dpa

Die bundesweit einzige rot-rote Koalition steht nur noch auf sehr wackeligen Beinen. Nach dem Übertritt einer SPD-Abgeordneten zu den Grünen hat der vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geführte Berliner Senat gerade noch eine Stimme Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Zudem liebäugelt ein Abgeordneter der Linken mit einem Parteiaustritt. Erste Stimmen in der SPD verlangen nun einen Koalitionswechsel.

Dabei hatte das rot-rote Bündnis gerade erst die erfolgreiche Halbzeitbilanz seiner zweiten Legislaturperiode gefeiert. Ende April war das Volksbegehren gegen den von SPD und Linken eingeführten Ethikunterricht für alle Schüler überraschend deutlich gescheitert. Und mit dem einstigen Bremer Finanzsenator Ulrich Nussbaum war ein kompetenter Nachfolger für den in den Bundesbankvorstand wechselnden Thilo Sarrazin (SPD) installiert worden. Ins Straucheln geriet Rot-Rot auch nicht wegen eines Koalitionskrachs. Ausschlaggebend war die Unzufriedenheit zweier Abgeordneter mit ihre jeweils eigenen Partei.

Zunächst hatte der haushaltspolitische Sprecher der Linken, Carl Wechselberg, Ende vergangener Woche alle politischen Ämter niedergelegt. Seine Kritik richtete sich vor allem an die Bundesspitze der Linkspartei. Die empfinde er "als zutiefst populistisch und sektiererisch", sagte der 40-Jährige. Wenn Parteichef Oskar Lafontaine einen Generalstreik fordere, könne und wolle er das nicht mittragen, argumentierte der Realpolitiker Wechselberg. Sein Abgeordnetenmandat behielt er jedoch zunächst. Vor der Verkündung weiterer Schritte wollte er sich mit seiner Fraktion aussprechen.

Die Aussprache hatte am Dienstagnachmittag gerade begonnen, da wurde eine zweite Überraschung bekannt. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Canan Bayram, verkündete ihren Wechsel zu den Grünen. Die Jamaika-Opposition aus CDU, Grünen und FDP hat damit zusammen 74 Sitze, SPD und Linke nur noch 75.

Sie sei immer wieder an die Grenzen dessen gestoßen, was ihre Fraktion leisten wolle und könne, so Bayram. Besonders empörte sie sich darüber, dass der Vorstand des landeseigenen Verkehrsunternehmens BVG komplett mit Männer besetzt ist. Laut Gleichstellungsgesetz hätte im Frühjahr ein freier Posten an eine Frau vergeben werden müssen. An solche Gesetze halte man sich aber nur, wenn einem das gefalle, sei ihr in der Fraktion gesagt worden, klagte Bayram.

Direkte Konsequenzen hatte ihr Übertritt zu den Grünen für Carl Wechselberg. Ihm sei nun die Bewegungsfreiheit genommen, sagte er am Mittwoch. Ohne seine Stimme verlören SPD und Linke ihre Parlamentsmehrheit. "Ich bin der größte Verfechter des rot-roten Projektes in Berlin", sagte Wechselberg. Deshalb bleibe er nun in der Linksfraktion. Ob er auch in der Linkspartei bleibt, ist weiter offen. Nur einen direkten Wechsel zur von ihm sehr geschätzten SPD schloss er aus.

Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter forderte unterdessen einen Koalitionswechsel. Es sei die beste Gelegenheit, um das rot-grüne Projekt mit neuem Leben zu füllen, sagte der einstige SPD-Generalsekretär. Rechnerisch hätte Rot-Grün eine stabilere Mehrheit als Rot-Rot. Doch die Grünen schlossen einen Regierungseintritt ohne Neuwahlen aus. Einen vorzeitigen Urnengang aber lehnen SPD und Linke ab. Sie wollen die Koalition fortsetzen. Dazu reiche eine Ein-Stimmen-Mehrheit, sagen die beiden Landesvorsitzenden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.