Franz Walter über dle Bundespräsidentenwahl: "Die Grünen hampeln hinterher"

Der Politologe Franz Walter kritisiert das Verhalten der Grünen bei der Wahl des Bundespräsidenten als unstrategisch. Das so genannte bürgerliche Lager hat besser funktioniert als das linke.

Schwan herzt Roth: "Schwans Kandidatur war diesmal völlig unstrategisch, eine politpubertäre Aktion irgendwelcher Nachwuchssozialdemokraten. Da hätten die Grünen nicht mitmachen müssen". Bild: dpa

Franz Walter, geboren am 2. März 1956, ist seit 2002 ordentlicher Professor für Parteienforschung an der Georg-August-Universität Göttingen. Dort habilitierte er sich 1996. Ein Jahr später war er Gastdozent an der Universität Amsterdam.

taz: Herr Walter, der neue Bundespräsident ist der alte, diesmal mit den Stimmen von Union, FDP und Grünen. Was sagt uns das über künftige Koalitionsmöglichkeiten?

Franz Walter: In Bundesversammlungen geht es nicht nur nach Parteifronten. Insgesamt haben sich die Stimmen diesmal eher nach klassischen Lagern aufgeteilt. So nah beieinander wie am Samstag waren Schwarz und Gelb die ganzen vergangenen Monate nicht. Wenn sich mit der einen oder mehreren Stimmen von den Grünen etwas am Lagerdenken ändert, ist das zwar ein Schritt vorwärts; bemerkenswerter finde ich aber, wie wenig sich bei den grünen Strategen verändert hat. Sie sind in die Bundesversammlung hineingegangen wie ein dummer Junge an der Hand der SPD.

Aber Gesine Schwan ist doch von Habitus, Themensetzung und Demokratieverständnis her viel eher eine Grüne als eine Sozialdemokratin.

Politik hat mit Habitus wenig zu tun, sonst müsste man gemeinsam ins Atelier gehen und nicht ins Parlament. Schwans Kandidatur war diesmal völlig unstrategisch, eine politpubertäre Aktion irgendwelcher Nachwuchssozialdemokraten. Da hätten die Grünen nicht mitmachen müssen. Sie hätten als Erstes fragen sollen, was ihr strategisches Interesse ist. Wie es jetzt gelaufen ist, haben sie nichts gewonnen.

Was hätten die Grünen gewonnen, wenn sie anders als 2004 für Köhler gestimmt hätten?

Horst Köhler hat sich von seinem Image als neoliberaler Banker weitgehend befreit. Auch dieses Wochenende hat er in seinen Reden ganz andere Akzente gesetzt. Sein Engagement für Afrika ist bekannt. Außerdem müssen die Grünen gar nicht geschlossen für den einen oder die andere Stimmen. Es wäre ein gutes Signal gewesen, demonstrativ offen in die Wahl zu gehen. Jetzt liegt die strategische Inszenierung bei der SPD, die Grünen hampeln hinterher. Gewonnen hat nur SPD-Chef Franz Müntefering.

Wie bitte? Wenn jemand verloren hat, dann doch wohl die SPD - die im Herbst mit FDP und Grünen regieren will.

So wie die SPD derzeit gegen Finanzhaie Wahlkampf führt, kann Westerwelle im September gar nicht mehr in ein Ampelbündnis hinein. Am Ende wird es wieder eine große Koalition geben. Genau das will die alte SPD-Garde um Müntefering. Sie hat die FDP ganz bewusst an die Seite der Union gedrängt.

Jedenfalls ist in der Bundesversammlung erneut ein Versuch gescheitert, mit Rot-Rot-Grün etwas auf die Beine zu stellen.

Zumindest in der Bundesversammlung hat das sogenannte bürgerliche Lager tatsächlich besser funktioniert als das linke - obwohl Frau Merkel sich seit Monaten dagegen sträubt, in ein Lager einbezogen zu werden. Schwarz-Gelb konnte aber nur zusammenfinden, weil alle anderen so ungeschickt agierten. SPD, Grüne und Linkspartei sind nicht nur untereinander tief gespalten. Wenn sie etwas gemeinsam versuchen, dann nur verdruckst und im Grunde ziellos wie am vergangenen Samstag. Das ist eine doppelte Trostlosigkeit.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

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