Drogenpolitik: Kunst-Heroin bald auf Kassenkosten

Der Bundestag könnte Donnerstag für die kontrollierte Abgabe von Diamorphin an Schwerstabhängige stimmen. Durch die CDU geht in der Frage ein tiefer Riss.

Künstliches Heroin - die letzte Rettung für viele Schwerstabhängige. Bild: ap

BERLIN taz | Am Donnerstag könnte der Bundestag die kontrollierte Abgabe von künstlich hergestelltem Heroin an Schwerstabhängige beschließen. Damit würde nicht nur eine jahrelange Diskussion über das Thema beendet, die CDU-Fraktion, die gegen die Freigabe ist, könnte auch eine Abstimmungsschlappe einstecken.

Zur Debatte steht ein fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf von SPD, FDP, Linken und Grünen. Carola Reimann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, geht fest davon aus, genug Stimmen zusammen zu bekommen: "Schon bei Einreichung des Antrags waren 249 Abgeordnete für ihn. Mittlerweile sind es etliche mehr."

Der Gesetzentwurf sieht die streng kontrollierte Abgabe von Diamorphin vor - synthetisch hergestelltes Heroin. Für das Kunst-Heroin auf Kassenkosten kämen jedoch nur solche Abhängige in Frage, die seit mindestens fünf Jahren schwerstabhängig und 23 Jahre oder älter sind. Sie müssen zudem zweimal erfolglos eine Therapie versucht haben.

In der Diamorphin-Behandlung sieht Reimann die "allerletzte Chance für Schwerstabhängige", das künstliche Heroin werde auch nicht die Methadonbehandlungen ersetzen oder das Bemühen beeinträchtigen, Suchtkranke ganz von der Droge loszubekommen.

Seit 2002 wurden Diamorphin-Modellversuche in Bonn, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München durchgeführt. Nicht nur die Vertreter der Modellstädte waren voll des Lobes, auch eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es den Abhängigen mit Diamorphin gesundheitlich deutlich besser ging und die Beschaffungskriminalität stärker abnahm als bei der Behandlung mit dem Heroin-Substitut Methadon.

Da Methadon nicht euphorisierend wirkt und antriebslos macht, nehmen viele Methadon-Substitutierte zusätzlich Heroin. Mit dem verunreinigten Straßenstoff ruinieren sie sich nicht nur ihre Gesundheit, unmöglich wird auch die Suche nach einem Arbeitsplatz. Mit Diamorphin, haben Ärzte beobachtet, gelingt einem Teil der Abhängigen langfristig sogar der komplette Ausstieg aus der Sucht.

Trotz der positiven Ergebnisse der Diamorphin-Erprobung ist die CDU in der Frage zerstritten: während die Unionsfraktion gegen eine Freigabe ist, wollen die unionsregierten Länder Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland genau das Gegenteil.

Bereits 2007 brachten sie im Bundesrat einen Gesetzentwurf auf den Weg, mit dem Diamorphin als verschreibungspflichtiges Medikament eingestuft werden soll. Damit könnte es kontrolliert abgegeben werden. Da für Teile der Unionsfraktion eine pragmatische Herangehensweise mehr zählt als ideologische Bedenken, dürfte der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf auch Fürsprecher aus der CDU finden.

Zu denen wird Maria Eichhorn, drogenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, nicht gehören. Sie warnt vor unnötigen Belastungen der gesetzlichen Krankenkassen, die in Zukunft für 80.000 Diamorphin-Berechtigte zur Kasse gebeten würden. Reimann weist solche Zukunftsszenarien zurück. Sie rechnet - wie auch die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen - mit nur 2.000 bis 3.000 Personen, die die strengen Kriterien zur Behandlung erfüllen dürften. Werde das Betäubungsmittelgesetz geändert und Diamorphin als Arzneimittel eingestuft, sinke zudem sein Abgabepreis. Der fraktionsübergreifende Gesetzesentwurf verweist daneben auf Kosteneinsparungen durch geringere Kriminalität und Haftkosten.

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