US-Fernsehserie "Holocaust" auf DVD: Nazi-Geständnis am Telefon

Vor 30 Jahren sorgte die US-Fernsehserie "Holocaust" international für Furore. Sie zeigt die Judenvernichtung als Familienroman - und macht es sich zu leicht.

Hochzeit mit einem jüdischen Arzt polnischer Herkunft: Meryl Streep als Inga Weiss. Bild: dpa

Die US-Fernsehserie "Holocaust", vor dreißig Jahren in den dritten Programmen der ARD ausgestrahlt, war ein Riesenerfolg. Bereits zuvor in den USA, wo sie eine Menge Emmys und zwei Golden Globes gewann und manche ihrer Darsteller, Meryl Streep und James Woods vor allem, zu Stars machte. Erst recht aber in Deutschland, wo sie dem Volk der Täter die Opfer und auch die Täter mit den Mitteln der Trivial- und Kolportagedramaturgie so nahebrachte, dass manche Dämme brachen. Zuschauer riefen während der Sendung, so ist zu lesen, bei Polizeistationen an, um ihre Beteiligung an den Untaten der Reichspogromnacht zu gestehen. Sondersendungen gab es, die Feuilletons diskutierten und die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte den hierzulande zuvor wenig bekannten und wegen seiner Herkunft als Bezeichnung eines Brandopfers nicht unproblematischen Begriff "Holocaust" zum Wort des Jahres.

Diese Serie war offensichtlich ein Angebot, dem das deutsche Fernsehpublikum nicht widerstehen konnte oder wollte. Die Frage nach dem Warum ist einfach zu beantworten: Sie macht es sich und dem Zuschauer in jeder Hinsicht zu leicht. "Holocaust" zeigt die Judenvernichtung als Familienroman. Mit einer Hochzeit zwischen der nichtjüdischen Inga Helms (Meryl Streep) und Karl Weiss, dem Sohn eines jüdischen Arztes polnischer Herkunft (Fritz Weaver), beginnt die Serie. Es ist das Jahr 1935, der Ort ist Berlin und in Gestalt unerfreulicher Hochzeitsbesucher wirft die Politik bereits ihre Schatten auf das Fest. Neben der Familie Weiss, zu der noch ein Sohn als späterer Widerstandsheld namens Rudi (Joseph Bottoms) gehört, steht die Täterfamilie Dorf im Zentrum der weiteren Geschehnisse. Erik Dorf (Michael Moriarty) ist ein erfolgreicher, aber arbeitsloser Jurist, der in der Nazi-Bürokratie seine Aufstiegschance wittert und dabei von von seiner Frau (Deborah Norton) angestachelt wird, einer Lady Macbeth mit angegriffenem Herzen.

In den sieben Stunden, die sie dauert, klappert die Serie, auf ihre Figuren verteilt, alle wichtigen Ereignisse der Judenvernichtung ganz simpel ab. Erste Deportationen, Zwangsarbeit in den Lagern, Buchenwald, Theresienstadt, Auschwitz. Das Massaker von Babi Yar, die Einrichtung der Gaskammern. Hitler selbst kommt nicht vor, ist nur auf Plakaten und Gemälden zu sehen. Adolf Eichmann steht für die Mord-Bürokratie, Reinhard Heydrich für die Vereinbarkeit von geistiger Brutalität und Liebe zu Wagner. Ästhetische Skrupel irgendeiner Art kennen Drehbuchautor Gerald Green und Regisseur Marvin J. Chomsky, die Macher von "Holocaust", nicht. Von allen Debatten über die Darstellungsproblematiken des singulären Ereignisses Schoah sind sie auf manchmal schon wieder entwaffnende Weise unangekränkelt. Sie denken die Repräsentation von Geschichte ausschließlich illustrativ. Bei der Abfahrt des Zuges mit den Deportierten nach Auschwitz spielt herzerweichend Musik.

Die größtmögliche Simplizität in Charakterzeichnung, Identifikations- und Antipathieangeboten, die tausendfach und bei jedem beliebigen Thema funktionierende Affektmodulation, wenn das Drehbuch mit den Figuren Schicksal spielt: das sind die haarsträubend naiven Grundprinzipien der Serie. Wer darauf anders als mit Kopfschütteln und ungläubigem Staunen reagiert, muss es schon sehr nötig gehabt haben. Das Interessanteste am Erfolg von "Holocaust" ist darum gerade das groteske Missverhältnis von Seichtheit des Therapeutikums und Massivität der Wirkung. Es macht deutlich, wie gründlich die Nation ihre Schuld verdrängt hatte. Und wie allzu bereit sie war, diese Verdrängung nicht wirklich zu analysieren, sondern durch emotionale Betroffenheit zu ersetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.