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Low Budget oder Staatsoper"Wir müssen eine kritische Masse erreichen"

Der Regisseur Martin E. G. Anhalt braucht keine Bankenkrise um sein Erspartes loszuwerden: Er hat sein eigenes Opernensemble gegründet - das Antares-Musiktheater. Noch ist die Bühne für ihn ein Fass ohne Boden, doch bald sollen Opernhäuser bei ihm fertige Produktionen kaufen.

Auf der Suche nach der kritischen Masse: Anhalt-Inszenierung "Das Telefon". Bild: Stefan Kock
Interview von Florian Zinnecker

taz: Herr Anhalt, wie viel kostet Sie eine Vorstellung Ihres Opernensembles Antares-Musiktheater?

Martin Anhalt: Das hängt ab vom Aufwand und der Zahl der mitwirkenden Sänger und Musiker - gestern waren es etwa 2.000 Euro insgesamt.

Rechnet sich das für Sie?

Martin E. G. Anhalt, 37,

fand früher die Musik von Mozart zu langweilig. Lieber verschlang er in der Musikbücherei seiner Heimatstadt Sindelfingen (Baden-Württemberg) - "reiche Autostadt, gute Musikbücherei" - Werke von Stockhausen und Messiaen. Inzwischen weiß er klassische Musik zu schätzen. An der Hamburger Musikhochschule studierte er Musiktheater-Regie - unter anderem bei Götz Friedrich, einem Mitbegründer des modernen Regietheaters. Als Abschlussprüfung inszenierte er 2001 die Oper "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" von Michael Nyman nach einem Bestseller von Oliver Sacks. Es folgen jeweils drei Jahre als Regieassistent in Schwerin und Dessau. Mit seinem Opernensemble Antares inszeniert er die Nyman-Oper nun ein zweites Mal.

Ich bringe ein gewisses Startkapital mit, ohne das ich damit gar nicht erst angefangen hätte. Zuerst muss man eben überall investieren: andere Betriebe investieren in Maschinen, ich sozusagen in öffentliche Anerkennung. Es dauert eben, bis so eine Sache anläuft.

Ihr Ensemble führt ausschließlich zeitgenössische Kammeropern auf - ein Genre, das so wenig konventionell wie einfach ist. Warum beschreiten Sie ohne Not einen so steinigen Weg?

Das heutige Opernrepertoire besteht zu 80 Prozent aus Stücken, die zwischen 1750 und 1900 entstanden sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das noch genau umgekehrt: 20 Prozent Altes, 80 Prozent Neues. Möglicherweise ist das, was wir machen, im Opernbereich das Schwerste, ja. Aber ich finde, es ist auch etwas unglaublich Dankbares.

Trotzdem ist die Kammeroper in der Hamburger Kulturszene eher unpopulär. Warum?

Ich würde nicht sagen, sie ist unpopulär. Die Große Oper ist nur viel stärker präsent - in allen möglichen Formen, auch im Fernsehen. Die Große Oper macht mehr her, die Ausstattung ist größer, und es gibt mehr Stars, die sich in Verbindung mit der Großen Oper vermarkten lassen. Die Kammeroper ist eine spezielle Gattung, die erst im 20. Jahrhundert entstanden ist. Und die Musik des 20. Jahrhunderts ist nicht so populär wie die von Verdi oder Mozart zum Beispiel. Da muss man sich erst mal rantrauen.

Trauen sich denn auch genügend Zuschauer hinein?

Im Moment ist das noch schwierig. Offensichtlich gibt es eine Hemmschwelle. Wir müssen eine gewisse kritische Masse erreichen: Die Leute, die zu uns kommen, müssen ihre Eindrücke weitergeben, damit wieder andere Leute zu uns kommen.

Wie groß muss diese kritische Masse werden?

Wenn pro Abend, sagen wir mal, konstant fünfzig Leute kommen würden - damit könnte man auch die Kosten für den Abend einigermaßen tragen. Manchmal funktioniert das, manchmal aber auch nicht.

Sie stehen jetzt am Ende Ihrer ersten Spielzeit. Wie fühlt sich die Musikstadt Hamburg von unten an - für die, die Kultur schaffen?

Das ist sehr interessant: Auf der einen Seite gibt es die öffentliche und öffentlich geförderte Kunst, die auf Repräsentation angelegt ist und von der breiten Bevölkerung gut wahrgenommen wird. Und auf der anderen Seite gibt es eine Underground-Szene. Die ist unglaublich rege, aber sie agiert versteckt, außerhalb des öffentlichen Interesses. Vielleicht müsste man dieses Interesse auch einfach nur wecken. Ich meine: Eine Anna Netrebko auf dem Titelbild einer Opernzeitschrift zu haben ist natürlich schön, aber letztlich führt das dazu, dass die Underground-Musikszene auf der Ebene von Machern für Macher läuft. Dass Leute, die nicht aktiv damit zu tun haben, sich selten dort hinein verirren.

An dieser Stelle folgt gerne der Ruf nach mehr Geld. Bei Ihnen auch? Würde es helfen, in die Szene zu investieren?

Subventionen sind ein zweischneidiges Schwert. Ohne Subventionen ist man völlig frei, man kann machen was man will. Na, stimmt auch nicht, wenn zu wenige Leute hingehen, rechnet es sich nicht mehr. Allerdings fühlt man sich weniger verpflichtet. Andererseits gibt es durchaus Dinge, die darauf warten, dass man sie tut, was aber nur mit einer gewissen Förderung zu realisieren ist.

Welche Dinge warten bei Ihnen?

Ich habe ein größeres Philip-Glass-Projekt in der Schublade. Dafür müssen auf jeden Fall von irgendwoher Drittmittel kommen.

Wie wirkt es sich auf Ihre bisherigen Produktionen aus, dass Sie keine Subventionen bekommen?

Wir müssen mehr improvisieren und kreativer sein als in einer Situation, in der wir sagen könnten: Hier hast du ein Budget von 50.000 Euro, stell mir damit ein Bühnenbild hin. Wir müssen überlegen, wie wir mit den wenigen Mitteln, die wir haben, kreativ arbeiten können. Da kommt es uns auch entgegen, dass die Kulissen klein und mobil sein müssen. Insofern ist der finanzielle Bedarf auch nicht so hoch.

Das heißt, die Qualität würde nicht grundsätzlich steigen, wenn mehr Geld da wäre?

Nein, aber vieles wäre einfacher (lacht). Aktuell ist es so, dass wir bestimmte Stücke schlichtweg nicht machen können, die ich gerne machen würde. Nehmen wir den "Leuchtturm" von Maxwell Davies, ein Stück mit 13 Mann Orchester. An diesen 13 Leuten würde es schon scheitern. Wir arbeiten momentan an unserer absoluten Obergrenze. Gestern Abend hatten wir sechs Musiker und drei Sänger - mehr geht nicht.

Wie lange können Sie in dieser Weise noch arbeiten?

So, wie es zurzeit läuft, kann ich das noch ein Jahr machen. Dann ist mein persönliches Sponsoring beendet. Wir haben jetzt eine gewisse Vorarbeit geleistet, können eine Reihe von Produktionen präsentieren - und müssen uns jetzt auf die Suche nach Förderungsmöglichkeiten machen, Sponsoren und Ähnliches.

Viele Kulturschaffende hegen Aversionen gegen Sponsoring. Sie nicht?

Wenn Kultur nur noch auf diese Weise machbar ist, dann muss man sie eben auf diese Weise machen. Das Prinzip beruht ja auf Gegenseitigkeit: Ein Unternehmen unterstützt mich, erlaubt mir, etwas Bestimmtes zu tun, und ich gebe dem Unternehmen die Möglichkeit, sich in gutem, interessanten Licht zu präsentieren. Ich würde aber keinen Coca-Cola-Automaten auf die Bühne stellen.

Wie stehen Ihre Chancen, auch mal auf einer großen Bühne zu inszenieren?

Ein Opernhaus entscheidet sich in finanziell schwierigen Zeiten natürlich lieber für Namen, die bewährt und risikolos sind. Sich in diesem Feld durchzusetzen ist für junge Regisseure nicht einfach. Dazu kommt: Wenn Sie im Großen Haus die Zauberflöte spielen, dann ist das jeden Tag voll. Wenn Sie in der Studiobühne den "Leuchtturm" spielen, kriegen Sie da, wenn es gut läuft, 100 Leute rein - das deckt kaum Ihre Produktionskosten. Da sehe ich eine Marktlücke: Wenn sich die großen Häuser keine kleinen Produktionen mehr leisten können oder wollen, dann können wir den Theatern diese Produktionen fertig anbieten.

Klingt nach einem zukunftsfähigen Konzept. Doch lassen sich hauseigene Inszenierungen mit mobilen Low-Budget-Produktionen ersetzen?

Sicher, eine Produktion, die an einem festen Haus gespielt wird mit Leuten, die auch fest an diesem Haus arbeiten - die hat natürlich auch eine eigene Qualität. Wir reisen am Tag vorher an, stellen unsere Sachen auf die Bühne und reisen danach wieder ab. Allerdings haben mobile Produktionen auch ihren Reiz. Und wer weiß, wie sich die Kulturlandschaft weiter entwickelt. Kann ja sein, dass private Initiative immer wichtiger wird.

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