piwik no script img

Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Ich wurde ganz normal gecastet“

Der Schauspieler Adam Bousdoukos betrieb eine Taverna in Altona. In Fatih Akins Film „Soul Kitchen“ spielt er einen WirtHERD ODER PLATTE Elf Jahre nach dem Erfolg von „Kurz und Schmerzlos“ spielt Adam Bousdoukos wieder die Hauptrolle in einem Film seines Freundes Fatih Akin. „Soul Kitchen“ lehnt sich an die Geschichte der „Taverna Sotiris“ an, die Bousdoukos in den vergangenen Jahren zum Szenetreff in Hamburg-Altona gemacht hat

Adam Bousdoukos, 35

Als Sohn griechischer Eltern in Altona geboren, spielte Adam Bousdoukos als Teenager kleinere Rollen in Werbespots und nahm Unterricht an der Hamburger Stageschool. Er ist fast in jedem Film seines Freundes Fatih Akin zu sehen – vom Kurzfilm „Sensin – Du bist es!“ über das vielfach ausgezeichnete Altona-Drama „Kurz und schmerzlos“ bis zum Berlinale Sieger 2004 „Gegen die Wand“. Daneben hatte er einige TV- und Filmrollen und Auftritte in diversen Serienepisoden. In Fatih Akins neuestem Film „Soul Kitchen“ spielt er den Restaurantbesitzer Zinos, der von seiner Freundin sitzen gelassen wird. Bei den Filmfestspielen in Venedig gewann der Film den Spezialpreis der Jury. Es geht um Familie und Freunde, um Liebe, Vertrauen und Loyalität – und um den Kampf für die Heimat als einen Ort, den es zu schützen gilt. „Soul Kitchen“ läuft am 25. Dezember an. RLO

INTERVIEW RALF LORENZEN

taz: Herr Bousdoukos, warum gab es in Ihrer „Taverna Sotiris“ eigentlich nie Gyros?

Adam Bousdoukos: Gyros ist in Griechenland ein Imbiss-Essen. Und wir haben uns eben damit geschmückt, eine Taverne zu sein. Aber der wahre Grund war: es gab in unserer kleinen Küche einfach keinen Platz für so ein Gerät.

In Altona erzählt man sich, dass Sie das „Sotiris“ einst von der Gage für den Film „Kurz und Schmerzlos“ gekauft haben. Stimmt das?

Teils, teils. Wir haben damals eine sehr geringe Gage bekommen. Aber der Vorbesitzer dachte, dass ich so viel Geld mit dem Film verdient hatte, dass ich mir einen Laden leisten kann. Daraufhin hat er mir den Laden angeboten. Das Geld musste ich dann von überall her zusammenkratzen.

Welche Erinnerungen haben Sie an das Altona Ihrer Kindheit?

Ich bin in der Mottenburg geboren, das ist immer noch eine meiner Lieblingsecken. In den kleinen Häusern steckt noch der Geist des alten Arbeiterviertels. In meiner Kindheit lebten da viele, viele Griechen. Das war wie Little Italy. Ich war nie im Kindergarten, weil immer eine Tante oder Onkels da waren, die auf mich aufgepasst haben, wenn meine Eltern in der Fabrik waren. Später sind wir dann in die Nähe der Großen Bergstraße gezogen, das war damals das Zentrum von Altona. Da hingen alle auf der Straße rum und meine Onkel haben über Politik und Fußball geredet.

Wenn man den Legenden glauben kann, begann sehr früh die dicke Freundschaft mit Fatih Akin.

Das war wirklich so. Fatih war auf dem Gymnasium in meiner Parallelklasse. Wir waren beide die Klassenclowns und haben früh gemerkt, dass wir ähnliche Roots, Träume und Sehnsüchte haben. In der Schul-AG haben Fatih und ich später eine Kamera genommen und Kurzfilme gedreht. Irgendwann hat Fatih dann das Drehbuch zu „Kurz und Schmerzlos“ geschrieben und Produzenten gefunden, die an ihn geglaubt haben.

War denn von Anfang an klar, dass Sie die Rolle des Costa übernehmen?

Nein, ich wurde ganz normal gecastet. Das war ein hartes Ding und ich habe gemerkt, wie schnell man da abgesägt werden kann. Auch, wie Freundschaft sich bewähren muss. Ich habe von vornherein gesagt, dass wir Freunde bleiben, auch wenn es nicht klappt.

In „Kurz und Schmerzlos“ geht es um die Freundschaft zwischen einem türkischen und einem griechischen Jugendlichen. Unter Deutschen existiert das Vorurteil, die Angehörigen beider Nationen können nicht besonders gut miteinander.

Ich ging nach der deutschen Schule immer noch auf die griechische Schule. Da ging es natürlich auch um den Befreiungskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich. Damals kam das so rüber, als wenn die Osmanen Unmenschen waren. Das war immer ein kleiner Stich für mich, denn meine besten Freunde waren Türken. Mit denen habe ich auch darüber geredet, wie das früher war. Aber im Endeffekt war der gemeinsame Spielplatz wichtiger als alles andere.

Können Sie sich erklären, warum Griechenland in den letzten Jahren das Zentrum der Jugendunruhen war?

In Griechenland besitzen die Studenten ein großes Ansehen. Die ziehen den Schwanz nicht ein und haben 1974 die Junta gestürzt. Militär und Polizei dürfen nicht auf das Universitätsgelände. Und heute brodelt es wieder, ich fürchte nur, dass es sehr extrem werden kann. In Hamburg haben ja sogar einige Leute eine Polizeiwache unter dem Namen „Koukoulofori“ (Die Vermummten) gestürmt und sich mit den griechischen Anarchisten solidarisiert.

Haben Sie in Ihrer Jugend auch Wut erlebt?

Wir sind ja nicht im Ghetto aufgewachsen. Aber wenn ich ein Mädchen kennen gelernt habe, wollten die nicht zu mir nach Altona kommen. Wir waren zweite Klasse. Mein Vater hat mich mit Ach und Krach aufs Gymnasium gekriegt – die Lehrer wollten mich auf die Realschule schicken.

Ursprünglich sollte „Soul Kitchen“ schon früher gedreht werden. Aber nach dem großen Erfolg von „Gegen die Wand“ hat Fatih Akin, wie er gesagt hat, den Druck gespürt, einen großen Film nachzulegen. Waren Sie enttäuscht, dass er erst „Auf der anderen Seite“ drehte und Ihr gemeinsames Projekt auf Eis gelegt wurde?

Ich hatte mich natürlich sehr gefreut, wieder einen Film mit Fatih zu drehen. Aber ich konnte nachvollziehen, dass er nach „Gegen die Wand“ zeigen wollte, dass er noch so ein Ding machen kann, noch größer, noch derber. Das ist ihm auch gelungen.

Haben Sie in der Wartezeit, während Sie im Sotiris Bratkartoffeln gemacht haben, öfter daran gedacht, dass Ihre große Stunde noch kommt?

Ich habe mir das sicherlich gewünscht. Es kamen ja auch immer wieder Leute in den Laden, die mich gefragt haben: „Eh, wann drehst du den nächsten Film?“ Die Sachen, die ich sonst so gedreht habe, habe ich mir teilweise selbst nicht angeguckt. Aber ich wusste immer, früher oder später passiert was. An dem Drehbuch haben wir von der ersten Fassung an insgesamt fünf Jahre gearbeitet.

Warum haben Sie die Geschichte von Altona nach Wilhelmsburg verlegt?

Wilhelmsburg ist auch ein Arbeiterviertel und sozialer Brennpunkt, der gerade eine Veränderung erlebt – es geht um Leute, die um ihr Viertel kämpfen. Wir stellen dieses Restaurant als einen Mikrokosmos dar und erzählen das über eine eindeutige Geschichte. Ein Immobilenmakler versucht mit allen Tricks, seinem alten Freund das Restaurant abzuluchsen.

Der Film ist also ein bewusstes Statement zur aktuellen Diskussion um Stadtentwicklung?

Ja, aber es ist natürlich Zufall, dass das gerade jetzt so aktuell ist, dass sich gerade jetzt viele Menschen zusammentun, im Gängeviertel und in der Großen Bergstraße.

Der Film wird jetzt seit einem Vierteljahr weltweit auf Festivals gezeigt. Was ist seitdem in Ihrem Leben passiert?

Es ist abenteuerlich, wir sind dauernd unterwegs, die dicke Nummer in Venedig …

Schon seltsam, Sie da auf dem roten Teppich zu sehen.

Ich hatte einen Job zu erledigen, und der lautete eben: über den roten Teppich laufen.

Ist mit diesem Projekt für Sie die Entscheidung gefallen, jetzt als ernsthafter Schauspieler weiterzuarbeiten? Das „Sotiris“ haben Sie ja verkauft.

Ich werde auf jeden Fall die nächsten zehn Jahre in diesem Beruf arbeiten und dann gucke ich weiter. Ich wünsche mir, dass ich gute Drehbücher bekomme und mit guten Leuten zusammenarbeite. Im Januar fahre ich zum Beispiel nach Zypern und gucke mir etwas an.

Wird denn die Filmfamilie um Fatih Akin herum weiterexistieren? Die wird ja teilweise schon mit der Fassbinder-Familie verglichen.

Sicherlich, auch wenn jeder Sachen für sich allein macht, sind wir füreinander da. Wie die Musketiere. Wir haben aber auch schon ein neues gemeinsames Projekt im Kopf. Das geht Richtung Western.

Wird man Sie irgendwann auch in der Realität noch mal als Wirt in eines Lokals sehen?

Wenn ich einen leer stehenden Laden sehe, kribbelt es immer in den Fingern. Aber ich würde zehnmal drüber nachdenken, ob ich es tue. Als ich mit 25 das „Sotiris“ übernommen habe, habe ich nicht viel nachgedacht. Jetzt geht’s mir wie dem Koch in „Soul Kitchen“, der sagt: „Ich weiß so viel über Läden, dass ich keinen eigenen haben will.“