Kommentar S-Bahn-Chaos: Mehdorns Erbe

Was kann man aus dem Berliner S-Bahn-Chaos lernen? Es darf keine Bahnprivatisierung geben.

Wer derzeit in Berlin von A nach B kommen will, fühlt sich an eine Dritte-Welt-Metropole erinnert: Bei der Berliner S-Bahn, die einen Großteil des Nahverkehrs abdeckt, herrscht seit zwei Wochen Chaos - und die Straßen sind verstopft, weil viele Bahnkunden auf das Auto umsteigen. Dabei handelt es sich um keine Provinzposse - das Chaos ist vielmehr ein Lehrstück darüber, wie schnell eine renditefixierte Unternehmenspolitik ein weltweit angesehenes Verkehrssystem zugrunde richten kann.

Denn Besitzerin der Berliner S-Bahn ist die staatseigene Deutsche Bahn AG, die Exbahnchef Hartmut Mehdorn im Auftrag der großen Koalition an die Börse bringen sollte. Um die Bilanz der Bahn aufzubessern, musste die S-Bahn jährlich immer höhere Gewinne abführen. Die Folge war ein knallharter Rationalisierungskurs: Werkstätten wurden geschlossen, Ersatzzüge verschrottet, Personal wurde abgebaut. Als Anfang Mai ein mit Fahrgästen besetzter Zug entgleiste, ordnete das Eisenbahnbundesamt Sonderprüfungen an. Diese Checks hielt die S-Bahn nicht ein, weshalb das Amt vor zwei Wochen ein Drittel aller Wagen aus dem Verkehr zog - die Ursache des Chaos. Zwar verweist die Bahn gern darauf, dass die Industrie anfällige Fahrzeuge geliefert habe; aber würden der S-Bahn nun nicht Ersatzzüge sowie Werkstätten und Personal für Reparaturen fehlen, wären die Probleme weit geringer.

Für die künftige Bahnpolitik kann das nur heißen: Die Bundesregierung muss ein für alle Mal auf die Bahnprivatisierung verzichten, die nur durch die Finanzkrise gestoppt wurde. Wenn jetzt ausländische Staatsbahnen per Aktientausch an der DB beteiligt werden sollten, wäre dies eine Privatisierung durch die Hintertür. Und kurz vor der Bundestagswahl ein Skandal.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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