Kommentar Stromanbieterwechsel: Der lahme Verbraucher

Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen, reicht es nicht, innerhalb eines Stromkonzerns auf Ökostrom umzusteigen.

Nach der jüngsten Panne im Atomreaktor Krümmel schnellen die Anmeldungen bei den Anbietern von Ökostrom hoch. Das ist eine gute Nachricht. Aber ist sie gut genug? Hier gibt es zwei Einschätzungen. Jeder Haushalt, der von den herkömmlichen Stromanbietern weggeht, ist ein guter Haushalt. Andere wiederum meinen: Wegen der paar Kunden, die sich bewusst für die richtigen Stromlieferanten entscheiden, nimmt der deutsche Strommix noch in 100 Jahren keinen anderen Verlauf.

Es kommt auf die genauen Zahlenverhältnisse an. Seit zehn Jahren gibt es Ökostromanbieter in Deutschland, sie haben aktuell 2,1 Millionen Kunden. Bei etwa 40 Millionen Haushalten wären das zirka fünf Prozent. Allerdings sind nur 700.000 davon bei Ökoanbietern im engeren Sinn - also Firmen, die mit einem Aufschlag auf den Strompreis die Montage neuer Anlagen im Bereich erneuerbare Energien finanzieren. Die anderen Kunden haben sich schlicht innerhalb eines Stromkonzerns auf Grünstrom umgemeldet und werden aus dem großen Topf bedient, der durch das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien gefüllt wird. Der machte im Jahr 2008 etwa 15 Prozent der deutschen Stromerzeugung aus. Es müssten sich also 15 Prozent der Haushalte, der Betriebe und der staatlichen Verbraucher für Ökostrom entscheiden, um die Energieversorger in Lieferschwierigkeiten zu bringen. Das ist nicht unmöglich - 15 Prozent bekamen die Grünen bei der Europawahl -, aber es dauert sehr lange.

Besser also, nicht innerhalb eines Stromkonzerns Ökostrom zu ordern, sondern gleich zu einem der vier einschlägigen Anbieter zu gehen. Denn solange die Verbraucher so lahm sind, wächst der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix schneller als der Anteil der Ökostromabnehmer.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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