Kommentar Tod der Russin Estemirowa: Mord unter staatlicher Aufsicht
Medwedjews scharfe Verurteilung der Tat lässt hoffen, dass er mit dem Mord anders umgeht als sein Vorgänger Putin mit dem tödlichen Anschlag auf Anna Politkowskaja.
Kein Zweifel: Der Mord an der tschetschenischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa geht auf das Konto der staatlichen Sicherheitskräfte. Nur wenige Stunden nach ihrer Entführung in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny war sie in der Nachbarrepublik Inguschetien tot aufgefunden worden. Niemand kann sich heute in Tschetschenien unbemerkt von einem Ort zum anderen bewegen. Zu dicht ist das Netz von Spitzeln in der Nordkaukasusrepublik, in der Entführungen und Morde an der Tagesordnung sind.
Nur staatliche Sicherheitskräfte können Estemirowa in Tschetschenien entführt und dann nach Inguschetien gebracht haben. Ob diese Kräfte nun Moskau oder dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow unterstellt sind, wie dies der Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Memorial, Oleg Orlow, behauptet, ist zweitrangig. Wahrscheinlich hat Orlow jedoch recht, hat doch Moskau durch seine "Tschetschenisierung" des Konflikts Tschetschenien weitgehend Kadyrow und seinen Todesschwadronen überlassen. Doch der Schlüssel zur Beendigung der absoluten Rechtlosigkeit in Tschetschenien liegt in Moskau.
Präsident Medwedjew hat den Mord scharf verurteilt und den obersten Strafermittler sofort mit einer Gruppe von Ermittlern in die Nordkaukasusrepublik entsandt. Das lässt hoffen. Die Reaktion Medwedjews unterscheidet sich von der seines Vorgängers Putin, der die Ermordung der Menschenrechtlerin und Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 mit den zynischen Worten kommentiert hatte, der Mord an ihr schade dem Kreml mehr als ihre Arbeit.
Die Erklärung der Menschenrechtsorganisation Memorial zum Mord an einer ihrer exponiertesten Vertreterinnen lässt Resignation erkennen. "Ramsan Kadyrow hat die Arbeit der Menschenrechtler in der Republik unmöglich gemacht. Die Mörder von Estemirowa wollten verhindern, dass weiter wahre Informationen aus Tschetschenien herausgelangen. Möglicherweise haben sie dies nun erreicht", erklärt Memorial.
Russlands Verfassung und seine Mitgliedschaft im Europarat verpflichten es zur Einhaltung der Menschenrechte. Präsident Medwedjew verdient in seinen Bemühungen um Aufklärung des Mordes Unterstützung. Es darf nicht sein, dass wir wortlos zusehen, wie Memorial seine Zelte in Grosny abbricht.
Kommentar Tod der Russin Estemirowa: Mord unter staatlicher Aufsicht
Medwedjews scharfe Verurteilung der Tat lässt hoffen, dass er mit dem Mord anders umgeht als sein Vorgänger Putin mit dem tödlichen Anschlag auf Anna Politkowskaja.
Kein Zweifel: Der Mord an der tschetschenischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa geht auf das Konto der staatlichen Sicherheitskräfte. Nur wenige Stunden nach ihrer Entführung in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny war sie in der Nachbarrepublik Inguschetien tot aufgefunden worden. Niemand kann sich heute in Tschetschenien unbemerkt von einem Ort zum anderen bewegen. Zu dicht ist das Netz von Spitzeln in der Nordkaukasusrepublik, in der Entführungen und Morde an der Tagesordnung sind.
Nur staatliche Sicherheitskräfte können Estemirowa in Tschetschenien entführt und dann nach Inguschetien gebracht haben. Ob diese Kräfte nun Moskau oder dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow unterstellt sind, wie dies der Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Memorial, Oleg Orlow, behauptet, ist zweitrangig. Wahrscheinlich hat Orlow jedoch recht, hat doch Moskau durch seine "Tschetschenisierung" des Konflikts Tschetschenien weitgehend Kadyrow und seinen Todesschwadronen überlassen. Doch der Schlüssel zur Beendigung der absoluten Rechtlosigkeit in Tschetschenien liegt in Moskau.
Präsident Medwedjew hat den Mord scharf verurteilt und den obersten Strafermittler sofort mit einer Gruppe von Ermittlern in die Nordkaukasusrepublik entsandt. Das lässt hoffen. Die Reaktion Medwedjews unterscheidet sich von der seines Vorgängers Putin, der die Ermordung der Menschenrechtlerin und Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 mit den zynischen Worten kommentiert hatte, der Mord an ihr schade dem Kreml mehr als ihre Arbeit.
Die Erklärung der Menschenrechtsorganisation Memorial zum Mord an einer ihrer exponiertesten Vertreterinnen lässt Resignation erkennen. "Ramsan Kadyrow hat die Arbeit der Menschenrechtler in der Republik unmöglich gemacht. Die Mörder von Estemirowa wollten verhindern, dass weiter wahre Informationen aus Tschetschenien herausgelangen. Möglicherweise haben sie dies nun erreicht", erklärt Memorial.
Russlands Verfassung und seine Mitgliedschaft im Europarat verpflichten es zur Einhaltung der Menschenrechte. Präsident Medwedjew verdient in seinen Bemühungen um Aufklärung des Mordes Unterstützung. Es darf nicht sein, dass wir wortlos zusehen, wie Memorial seine Zelte in Grosny abbricht.
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Kommentar von
Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und Eurotopics.de. Er hat in Heidelberg Russisch studiert. Daneben gute Ukrainisch-Kenntnisse. Hat sich jahrelang in den Bereichen Frieden, Menschenrechte, Anti-AKW, Asyl engagiert. Zusammenarbeit mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in der ehemaligen UdSSR und in Deutschland. Schreibt seit 1993 für die taz.
Die Vergangenheit als Blaupause
Schulterblick nicht vergessen
Hoffnung kann man auch aus der Vergangenheit ziehen, findet unsere Autorin. Ein Appell auch mal zurück zu schauen.