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Kommentar BerlusconiWolf unter Wölfen

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Berlusconi und seine Entourage haben oft genug bewiesen, dass Rechtsstaat und Demokratie für sie rein formale Begriffe sind.

E s ist ein offengelegter Sex-Geld-Macht-Kreislauf, der Italien erschüttert - wenn es denn wirklich zu einem politischen Erdbeben bis hin zu einem Führungs- oder gar Machtwechsel kommen sollte. Bemerkenswert daran ist, dass es vor allem linke und liberale Medien, Protagonisten und Parteien sind, die sich auf - zweifellos verachtenswerte, aber dem Bild des "Sultans" Berlusconi nichts substanziell Neues hinzufügende - Paparazzifotos, Handyvideos und Tonaufnahmen stürzen: Gibt es für den Cavaliere etwa kein Recht auf "privacy"?

Der Dichter Peter Hacks hat den Vorwurf, er schlüge unter die Gürtellinie, einmal mit dem Hinweis beantwortet: Ja, wenn die Gegner eben nicht immer so groß wären! Berlusconi und seine Entourage haben oft genug bewiesen, dass Rechtsstaat und Demokratie für sie rein formale Begriffe sind. Der einzige Wert, den sie mit allen Mitteln verteidigen, ist die Freiheit ihrer Clique. Insofern sind Zuspruch und Zulauf, die Berlusconi - wenn auch nach neuesten Umfragen in vermindertem Ausmaß - erhält, durchaus rational: Wenn klar ist, wer die Beute verteilt, muss schon Idealist sein, wer sich fernhält. Im Gespräch mit gutbürgerlichen italienischen Intellektuellen trifft man immer wieder genau hier auf eine moralische Leerstelle. Wer auf Mindeststandards besteht, der gilt ihnen bestenfalls als naiv, was letztlich eine Umschreibung von "Idiot" ist.

Die Journalisten von La repubblica, die das "Papi-Gate" aufdeckten, haben ganz offensichtlich keine Lust mehr gehabt, als Idioten dazustehen. Ebenso wenig wie Patrizia d'Addario, die für ihren Escort-Service politische Protektion erwartete und sich nicht mit Liebesgeflüster abspeisen lassen wollte. Unter Berlusconi hat sich die italienische Gesellschaft irreversibel verändert. Nur fair, dass er die neue Härte jetzt auch mal am eigenen Leib zu spüren bekommt.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

1 Kommentar

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  • U
    Unzeit-gemäß

    Ich kann nichts gutes daran finden, dass auch La repubblica jetzt auf Paparazzi-Niveau herabgesunken ist. Man stelle sich mal vor, die Süddeutsche oder die Frankfurter Rundschau würde versuchen, einen Kanzler durch Veröffentlichung von sexuell anrüchigen Photos und Tonbandmitschnitten zu stürtzen - würden wir da noch von "linksliberaler Qualitätspresse" sprechen?