"Three Strikes" scheitert drittes Mal: Frankreichs Piraterie-Gesetz stockt
Nach der neuerlichen Verzögerung des französischen Gesetzes gegen Internetpiraterie hoffen die SozialistInnen auf eine Sommer-Kampagne, um das "Hadopi 2"-Gesetz zu verhindern.
PARIS taz | "Hadopi 2" ist verschoben. Das Gesetz, das "Internetpiraterie" mit Strafen ahnden soll, die bis zum Kappen des Internet-Zugangs reichen, und das Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu seinem persönlichen Anliegen gemacht hat, ist erneut in den Mühlen der französischen Gesetzgebung stecken geblieben.
Der französische Gesetzentwurf wird weltweit aufmerksam verfolgt, weil der Ansatz von "Hadopi 2" nach dem Motto funktioniert: Drei Vergehen und Du bist raus aus dem Netz. Dieses "Three Strikes"-Modell ist in der Internet-Community total verhasst.
Im ersten Anlauf war es gescheitert, weil die rechte Regierungspartei UMP die nächtliche Abstimmung schwänzte und der Opposition so die Mehrheit überließ. Im zweiten Anlauf hatte der Verfassungsrat es gekippt, indem er den Internetzugang zu einem Grundrecht erklärte und verlangte, daß allein ein Richter den Internetzugang unterbrechen dürfe.
Nachdem auch der dritte Anlauf in dieser Woche zu einem Hindernislauf wurde, hat der Chef der UMP-Fraktion im Parlament, Jean-François Copé die Verschiebung der parlamentarischen Debatte über "Hadopi 2" auf die "Rentrée" – den Herbst – beantragt.
Drei Versuche also – und noch nicht out. Doch die SozialistInnen wünschen sich genau das: "Zwei Monate Zeitgewinn", kommentierte der Fraktionschef der oppositionellen PS, Jean-Marc Ayrault. Und fordert die InternautInnen auf, den Sommer für eine Kampagne gegen "Hadopi 2" zu nutzen.
Unter anderem sollen sie ihren Abgeordneten Mails schicken. Denn, so erklärt Ayrault, "Hadopi 2 zeigt deutlich, dass Sarkozy ein Meister der Ankündigung ohne Folgen ist. Er kündigt an, daß er ein Gesetz für die Künstler macht und es kommt kein einziger zusätzlicher Centime für sie dabei heraus."
Kulturminister Frédéric Mitterrand, der im Juni das Hadopi-Projekt übernommen hat, an dem seine Vorgängerin Christine Albanel gescheitert ist, soll gegenüber PS-Abgeordneten zugegeben haben, dass "Hadopi" 2 nicht die Finanzprobleme der Kultur lösen wird. Dennoch hält Mitterrand an dem Gesetz fest.
Ursprünglich war das Gesetz dazu gedacht, dem illegalen Herunterladen von Filmen und Musik aus dem Web Einhalt zu gebieten. Mit dem Ziel, die geschrumpften Einkommen von FilmemacherInnen und MusikerInnen wieder zu sanieren. Zum Schutz von Film und Musik, so AutorInnen des Gesetzes, soll die hohe Aufsichtsbehörde "Hadopi" das illegale Herunterladen aus dem Netz und die illegale Übermittlung von Filmen und Musik überwachen und ahnden.
Auch die E-Mails sollen kontrolliert werden
"Hadopi2" ist schärfer als der ursprüngliche Gesetzentwurf "Hadopi1": Der aktuelle Entwurf sieht zusätzlich die Kontrolle des E-Mail-Verkehrs – wegen eventuell darin befindlicher illegaler Attachments – vor. Im Falle von Verstößen erhält die/der PiratIn zunächst ein Mahnschreiben per E-Mail. Dann eines per Einschreiben. Als Höhepunkt kann der Internetzugang vorübergehend gekappt und eine Geldstrafe verhängt werden.
Nach der aktuellen Version "Hadopi 2" darf nicht mehr die Behörde über das Kappen des Internet-Zugangs entscheiden, sondern es muss ein Richter eingeschaltet werden. Inzwischen ist auch bekannt, daß sich eine Filiale der französischen Post, "Extelia", um die Mahnungen kümmern soll.
Doch in dieser Woche hat die Debatte über "Hadopi2" neue Seltsamkeiten offen gelegt. So setzten verschiedene Abgeordnete Änderungsanträge durch, die regeln, dass bei InternetpiratInnen zwar der Internetzugang gekappt werden darf, sie aber weiterhin ein Anrecht auf Nutzung ihres E-Mails haben. Wie das technisch funktionieren soll, ist unklar.
Während die InternautInnen im Web gegen das Gesetz wüten und technische Tricks veröffentlichen, um es zum umgehen, outen sich im Parlament zunehmend auch rechte Abgeordnete als Hadopi2-Kritiker. So stellt Lionel Tardy (UMP) verärgert fest: "Hadopi2 öffnet Türen, die der Staatsrat geschlossen hat".
Sein Kollege Jean Dionis du Séjour (UMP) fragt an die Adresse des Staatspräsidenten: "Warum so viel Hartnäckigkeit? Das Gesetz spaltet das Land und verdammt die Hadopi-Behörde zur Ineffizienz."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Pläne zur Krankenversicherung
Ohne Schutzschild aus der Deckung
Anklage gegen Linke Maja T. erhoben
Ungarn droht mit jahrelanger Haft
Merz will Straftätern Pass entziehen
Heimat ist bedingungslos
Erneuerbare Energien
Die bizarre Aversion der AfD
Polizeigewalt beim AfD-Parteitag
Unverhältnismäßig und unnötig
Streit um Bezeichnung
Gericht verbietet Aldi Süd Verkauf seiner Dubai-Schokolade