Boykott von Filmfestival: Ein Anruf der staatlichen Filmbehörde

Peking will verhindern, dass die Uigurin Rebiya Kadeer beim Melbourner Filmfestival auftritt.

Chinas Staatsfeindin Nr. 1: Die Uigurin und Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer. Bild: ap

Wer am Samstag früh die Webseite der größten unabhängigen Filmfestspiele Australiens anklickte, erlebte eine Überraschung. Nach einem Angriff von Hackern war das Programm mit den internationalen Beiträgen zum Festival in Melbourne verschwunden. Stattdessen war die Nationalflagge Chinas zu sehen, dazu Beschimpfungen von Rebiya Kadeer - einer Uigurin, die seit vier Jahren im amerikanischen Exil lebt. Die 62-Jährige ist zu dem Festival eingeladen, weil am 8. August "The 10 Conditions of Love", ein Dokumentarfilm über sie, gezeigt werden soll.

Für Peking gilt die Uigurin als Separatistin und Terroristin. Die chinesische Regierung beschuldigt die Präsidentin des uigurischen Weltkongresses, sie habe die Unruhen in der Region Xinjiang organisiert, bei denen seit dem 5. Juli etwa 200 Menschen starben. Dagegen wirft Kadeer den Behörden in China vor, die zehn Millionen Uiguren in ihrer Heimat zu unterdrücken und damit für das Massaker verantwortlich zu sein.

Ihr geplanter Auftritt hat drei prominente Regisseure aus der Volksrepublik dazu bewogen, das Festival zu boykottieren: Jia Zhangke zog in der vergangenen Woche seinen Kurzfilm "Cry me a river" zurück; Tang Xiaobai alias Emily Tang zeigt ihren Film "Perfect Life" nicht; Zhao Liang strich die Aufführung von "Petition".

Zuvor bedrängten chinesische Diplomaten die Organisatoren des Festivals, Kadeer auszuladen und den Film über sie aus dem Programm zu nehmen - ohne Erfolg: "Wir sind eine unabhängige Künstlervereinigung, und das ist unser Programm", erklärte der Festspielleiter Richard Moore gegenüber Journalisten.

Chinesische Zeitungen betonten in den vergangenen Tagen, die Entscheidung der Regisseure, ihre Beiträge zurückzuziehen, sei ohne den Druck der Pekinger Regierung gefallen. "Wir halten es für emotional unannehmbar und auf keinen Fall akzeptabel, eine Bühne mit jemandem zu teilen, die politisch so problematisch ist wie Kadeer", zitierte das englischsprachige KP-Organ China Daily Jia Zhangke. Er gehört zu den bekanntesten neuen Filmemachern des Landes und hat mit Werken wie "Still Life" die sozialen Verwerfungen in China registriert. Seine Kollegin Tang erklärte, sie wolle "nicht an einem Festival teilnehmen, das so stark politisiert ist". Sie räumte ein, dass sie einen Anruf der staatlichen Film- und Fernsehbehörde SARFT erhalten hat, die Drehgenehmigungen vergibt. Sie sei aber nicht zur Absage gedrängt worden, erklärte sie.

Der Konflikt in Xinjiang ist ein hochbrisantes Thema in China. Viele Chinesen sind überzeugt, dass ausländische Medien und Regierungen unfair über das Verhältnis zwischen Han-chinesischer Mehrheit und den ethnischen Minderheiten wie Tibetern und Uiguren berichten. Wer sich in dieser Atmosphäre mit der Uigurin Rebiya Kadeer auf einer Bühne sehen lässt, muss damit rechnen, in seiner Heimat als Verräter beschimpft zu werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.