Kommentar Biobranche: Hausgemachte Probleme

Die Menschen in Deutschland geben weniger Geld für Biolebensmittel aus. Die Branche muss reagieren - und wieder glaubwürdiger werden.

Die Menschen in Deutschland haben erstmals in einem Halbjahr weniger für Biolebensmittel ausgegeben als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Diesen Warnschuss sollte die Biobranche zum Anlass nehmen, sich auf ihre Stärken zu besinnen und ihre Konventionalisierung zu stoppen.

Eine dieser Stärken ist es, dass die biologische Landwirtschaft klimafreundlicher als die konventionelle mit deren energieintensiven Mineraldüngern und Pestiziden ist. Solche Argumente könnten die Ökos stärker in den Vordergrund stellen. Dazu sollte auch die Öffentlichkeitsarbeit der Branche offensiver werden. Wenn Wissenschaftler behaupten, Bio sei nicht gesünder, müssen die Biolobbyisten einfach schneller und sachgerecht kontern.

Gleichzeitig muss die Branche wieder glaubwürdiger werden. Es ist eine Schande, dass es auch Ökoprodukte auf die Liste der Verbraucherzentrale Hamburg mit irreführend ausgezeichneten Lebensmittelimitaten geschafft haben. Da werden Citrus-Ananas-Getränke mit Bildern der Früchte beworben, doch drin ist weder Zitrone noch Ananas. Aber auf dem Etikett prangt groß das Biosiegel. Die EU-Ökoverordnung lässt das offenbar zu. Dennoch widersprechen solche Verbraucherfallen dem Geist, den viele Ökokäufer erwarten.

Die meisten Kunden wünschen sich auch, dass die Biobranche in der Debatte über eine transparentere Kennzeichnung von Nährwerten mit gutem Beispiel vorangeht. Verbraucherschützer fordern das Ampelsystem - viel Zucker etwa wird mit einen roten Punkt auf der Packung gebrandmarkt. Die Biobranche könnte die Ampel einführen und sich so positiv von der konventionellen Konkurrenz abheben. Doch wie positionieren sich die Hersteller von Ökoprodukten? Sie leisten genauso Widerstand gegen die Ampel wie konventionelle Konzerne.

Die Konventionalisierung der Biobranche macht sich auch in vermeintlichen Kleinigkeiten bemerkbar. Zu oft werden Kunden in Biosupermärkten von Menschen bedient, die nicht gerade von der Ökoidee überzeugt wirken. Kunden bemerken solche Defizite auch daran, dass solche Verkäufer weniger motiviert und freundlich sind.

All diese Mängel verstärken die Umsatzeinbußen, die die Branche etwa wegen der Wirtschaftskrise erwartet. Leider ist bisher nicht zu erkennen, dass die Ökos wirksam reagieren.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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