FC Bayern München II: Peinlicher Tiefgang

Nicht nur die großen Bayern haben Probleme, sondern auch ihre zweite Mannschaft, trainiert von Mehmet Scholl. Sie steht in Liga drei auf dem letzten Tabellenplatz, mit 3:13 Toren

Nachdenklicher Mehmet Scholl - seine Ideen als Fußballlehrer gehen in dieser Saison nicht auf. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Der Fußballspieler Mehmet Scholl ist als lockerer Typ in Erinnerung geblieben, nie verlegen um einen Spruch. Lustig war er. Inzwischen trainiert Scholl, 38, den FC Bayern II, die U23-Mannschaft des Rekordmeisters, und zu Späßen ist ihm zurzeit ganz und gar nicht zumute.

Denn der Saisonstart in der dritten Liga ist gründlich missraten. Nach fünf Spielen stehen die sogenannten kleinen Bayern mit zwei Punkten auf dem letzten Platz. Und Scholl ist ziemlich ratlos angesichts der Lage. "Das sind Dinge, die seltsam sind", klagt er.

Ende April, nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann als Trainer der Bundesligamannschaft des FC Bayern München, übernahm Scholl die U23 von Hermann Gerland. In den letzten fünf Spielen der vergangenen Saison zeigte sein Team ansehnlichen Fußball, spielte erfrischend nach vorne. Der FC Bayern II stürmte unter Scholl ohne Niederlage auf Rang fünf der Abschlusstabelle. Von der Euphorie, die auch sein Auftreten damals ausgelöst hat, ist nichts geblieben.

Besonders frustriert ist Scholl darüber, dass seiner Mannschaft ständig dieselben Fehler unterlaufen. In vier der fünf Partien lag das Team bereits nach zehn Minuten zurück, am vergangenen Wochenende stand es in Heidenheim schon nach fünf Minuten 0:2. Am Ende verloren die Bayern 2:4. "Immer wieder werden wir von der Aggressivität der Gegner überrascht", ärgert sich Scholl, "und unter Druck macht die Mannschaft die einfachsten Dinge falsch oder gar nicht."

Die Mängelliste ist lang: unnötige Fehlpässe im Spielaufbau, überhastete Tacklings an der Eckfahne, Raum- statt Manndeckung im Strafraum. "Das sind Grundelemente, da sage ich: Um Gottes Willen, da hätte ich nicht gedacht, dass ich noch daran arbeiten muss", sagt Scholl, "ich will nicht sagen, dass es eine Frage der Qualität ist. Aber es ist eine des Dazulernenwollens."

Besonders verheerend ist, dass dem Team eine Führungsperson fehlt, ein giftiger Lautsprecher, der in brenzligen Situationen mit Taten oder Worten das Team wachrüttelt. In der vergangenen Saison waren das Thomas Müller mit seinen Toren und Holger Badstuber, der Organisator mit der quietschenden Stimme. Die beiden spielen mittlerweile bei den genauso erfolglosen Profis.

Dazu musste Scholl Stephan Fürstner, seinen Kapitän und ehemaligen Mitspieler, nach Fürth abgeben. "Natürlich fehlen sie", sagt Scholl, "aber ich will nicht jammern, oh Gott, oh Gott. Mit dem Material muss man besser spielen." Nach dem peinlichen 0:6 in Jena am dritten Spieltag verpflichtete Scholl Danny Schwarz. Der 34-Jährige war bis zum Sommer beim verhassten Lokalrivalen TSV 1860 unter Vertrag. Bisher konnte der alte Besen Schwarz noch nicht kehren.

Nun appelliert Scholl an sein Team, will es an der Ehre packen. Dabei stellt er die Bundesligatauglichkeit einiger seiner Talente in Frage, aber auch generell deren Denkvermögen. Schon sein Vorgänger, der knorrige Hermann Gerland, klagte nicht selten über die vermessenen Ansprüche seiner Spieler. Durch seine Sprüche erreichte Gerland Kultstatus. Noch heute feiern ihn die Fans bei Spielen des FC Bayern II mit Sprechchören.

Nur: Unter Gerland spielte der FC Bayern II zuletzt erfolgreich. Das lieferte wenigstens noch Stoff für die kühnen Fantasien der Spieler. Und jetzt? "Es ist paradox. Wir stehen auf dem letzten Platz, und einige träumen weiter von der Bundesliga", poltert Scholl, "Herrschaften, diese Träume sind fehl am Platz."

Gerade jetzt fordert er eine realistische Einschätzung der Zukunft. Seine Talente sollen beweisen, dass die Bundesliga für sie nicht eine Traumwelt bleiben muss. Scholl ruft auf zum Überlebenskampf Profifußball. "Wer die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat und für den FC Bayern nicht um sein Leben rennt, hat beim FC Bayern nichts verloren", sagt Scholl.

Dem jungen Trainer ist dabei nur zu sehr bewusst, dass auch der weitere Verlauf seiner Karriere in diesen Wochen wesentlich beeinflusst wird. Gelingt ihm im allgemeinen Krisenumfeld des FC Bayern der Aufschwung, haben sich seine Fähigkeiten erstmals bewährt. Sucht er weiter unglücklich nach Erklärungen, bleiben Erfolge weiter aus, gerät die gesamte Marke Scholl ins Wanken. Denn Analysen für die Misere beim FC Bayern II sind ihm bislang noch nicht gelungen. Erklärungen lieferte Scholl in dieser Saison nur als Experte der ARD.

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