Randale im Kosovo: Albaner zünden EU-Mission-Autos an

Die EU-Mission im Kosovo will ein Grenzabkommen mit Serbien unterzeichnen, ohne Pristina zu fragen. Die Albaner sind empört.

Schon im Dezember 2008 hatten Tausende Kosovo-Albaner gegen die Eulex-Mission demonstriert. Bild: dpa

Ein bisschen schockiert waren einige Mitglieder der 2.000-köpfigen EU-Mission im Kosovo nach den Ereignissen vom Mittwoch schon. Denn so etwas hatte kaum jemand der aus Polizisten und und Rechtsexperten bestehenden Eulex-Mission erwartet. Aktivisten der Gruppe "Selbstbestimmung" hatten 28 Autos der Mission demoliert, Steine in die Scheiben geworfen, die Reifen aufgeschlitzt und einige Geländewagen umgeworfen. Eine Spezialeinheit der Kosovo-Polizei KPS machte dem Treiben zwar bald ein Ende, doch der Vorgang zeigt, dass die EU-Mission im Kosovo in einer veritable Krise steckt.

Dabei richten sich die Proteste nicht einmal gegen die Mitarbeiter der Mission, sondern vor allem gegen die Politik der Führung. "Wir heißen alle Experten willkommen, die uns beim Aufbau der Polizei und des Rechtssystems helfen", erklärte Albin Kurti, Vorsitzender der Gruppe "Selbstbestimmung", doch es könne nicht angehen, dass die Mission "über die Köpfe der Albaner hinweg Verhandlungen über die Grenzkontrollen mit Serbien führt." Damit stelle sich die Mission in die Tradition der UN-Verwaltung, die bis zur Unabhängigkeitserklärung im Februar 2007 Kosovo als Protektorat beherrschte und bis heute das von 62 Staaten diplomatisch anerkannte Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 des Weltsicherheitsrates behandele. Nach der Resolution 1244 gehört Kosovo nominell nach wie vor zum Staatsgebiet Serbiens. Russland sperrt sich im Weltsicherheitsrat gegen die Unabhängigkeit Kosovos.

Mit der Kritik an der Eulex steht Kurti nicht allein. Zwar versuchte Staatspräsident Sejdjiu die Gesprächsfäden zur Eulex aufrechtzuerhalten und distanzierte sich von der Gewalt der Gruppe "Selbstbestimmung", doch lehnt er wie sein Ministerpräsident Hashim Thaci die von der Eulex geführten Verhandlungen mit Serbien strikt ab. Nur die Regierung Kosovos könne eine Vereinbarung über die Grenzkontrollen und die Polizei in den Serbengebieten Kosovos treffen.

Die Eulex hat seit dem März 2009 vor allem in dem Gebiet nördlich der geteilten Stadt Mitrovica nach einer gütlichen Übereinkunft mit den serbischen Behörden gesucht. Die Grenze zwischen den Serbengebieten Kosovos und Serbiens ist eine durchlässige Grenze, über die alle mögliche Waren geschmuggelt werden. Das von der Eulex verhandelte "Protokoll" hat das Ziel, diesen Handel zu unterbinden und die Grenzkontrollen zu verstärken. Deshalb will die Eulex-Führung das Protokoll mit Serbien unterzeichnen.

Für Serbien ist nur eine Übereinkunft mit der Eulex möglich, nicht jedoch mit dem Staat Kosovo. Würde es zu direkten Verhandlungen kommen, würde Serbien Kosovo indirekt diplomatisch anerkennen. Und das will Belgrad auf jeden Fall vermeiden. Die Eulex-Mission dagegen wird auch von jenen fünf Staaten in der EU unterstützt, die Kosovo nicht diplomatisch anerkannt haben. De facto operiert Eulex somit auf der Grundlage der Resolution 1244, die die Unabhängigkeit Kosovos nicht vollständig anerkennt. Die Eulex ist deshalb von Belgrad akzeptiert, während bei den Albanern der Widerstand wächst.

Für Kurti hatten die Albaner schon bei der Zustimmung zum Ahtisaari-Plan gegenüber den Serben viel zu viele Konzessionen gemacht. Denn in dem Plan würde die serbische Minderheit, die sechs Prozent der Bevölkerung umfasse, stark privilegiert. Nach dem Ahtisaari-Plan, dessen Annahme viele EU-Staaten und die USA zur Voraussetzung für die Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung Kosovos machten, erhielten die Serben die Kontrolle über mehr als ein Viertel der Fläche des Landes. Mit einem eigenen Rechts-, Gesundheits- und Schulsystem, einer eigenen Währung und dem Recht auf direkte Beziehungen zu Belgrad seien der serbischen Minderheit schon viele Rechte eingeräumt worden. "Dieser Kompromiss aber wird jetzt durch die Eulex mit einem Kompromiss des Kompromisses zugunsten der Serben unterlaufen", kritisiert Albin Kurti stellvertretend für die gesamte kosovoalbanische Öffentlichkeit.

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