piwik no script img

Archiv-Artikel

Auf der Suche nach einem Projekt

Heute beginnt der dreitägige Parteikongress der französischen Sozialisten. Grundsatzdebatten sind nicht zu erwarten. Auch die Spaltungen werden bleiben

Eine Selbstkritik ob ihres Wahldebakels hat Frankreichs PS nicht versucht

PARIS taz ■ Reich ist die französische Sozialistische Partei (PS) vor allem an Führungspersonal sowie an Strömungen: 17 Monate vor den Wahlen hat sie zehn PräsidentschaftskandidatInnen, darunter zwei Frauen, und fünf konkurrierende politische Flügel. Eine von außen erkennbare klare Linie fehlt ihr. Bei den großen politischen Debatten, die die FranzösInnen beschäftigten – von der inneren Sicherheit über die EU-Verfassung bis hin zu den den Vorstädten – glänzt die PS entweder durch Abwesenheit oder durch Spaltung.

An diesem Status quo wird sich bei dem dreitägigen PS-Parteikongress, der heute im westfranzösischen Le Mans beginnt, wenig ändern. Selbst unter den 120.000 PS-Mitgliedern erwarten nur wenige, dass die 614 Delegierten die Grundsatzdebatten nachholen. Aller Voraussicht nach wird die reformistische Linie von Parteichef François Hollande, seit 1997 im Amt, bestätigt werden. Strömungen, die ihn von links kritisieren, werden eine Minderheit bleiben. Da mögen GenossInnen im europäischen Ausland noch so sehr darauf drängen, dass die PS ihre „internen Spaltungen überwinden“ und ein „Projekt für die Präsidentenwahlen 2007 entwickeln“ soll. Politisch ist die PS mit zwei Problemen konfrontiert, die sie sich selbst eingebrockt hat. Eines davon ist das Scheitern ihres Präsidentschaftskandidaten Lionel Jospin gegenüber dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen am 21. April 2002. Damals bekam die PS zwölf Prozent der Stimmen der ArbeiterInnen. Auch ein Großteil der MittelschichtwählerInnen wanderten zu KandidatInnen links der PS ab.

Die massive Desertion der WählerInnen hatte viel mit der zaghaften Sozialpolitik der vorausgegangenen rot-rosa-grünen Regierung unter Jospin zu tun. Zwar führte sie die 35-Stunden-Woche ein. Doch flexibilisierte sie zugleich die Arbeitszeiten und das Arbeitsrecht, was die Schwächsten am härtesten traf. Auch das Arbeitsbeschaffungsprogramm für hunderttausende arbeitslose Jugendliche klang gut, ging vielen jedoch nicht weit genug. Denn die „emplois jeunes“ brachten zwar befristete Jobs für fünf Jahre, doch nichts danach. Die rechte Regierung konnte das Programm umstandslos wieder abschaffen.

Eine Selbstkritik ob ihres Wahldebakels hat die PS nicht versucht. Sie macht die anderen linken KandidatInnen von 2002 für das Scheitern Jospins verantwortlich: Die waren „zu viele“ .

Auch das zweite schwere Trauma der PS ist nicht verdaut. Die Partei hatte lautstark nach einem Referendum über die EU-Verfassung verlangt. Als Staatspräsident Chirac es ausrief, votierte eine Mehrheit der PS-Basis intern für ein „oui“. Doch beim Referendum am 29.Mai 2005 wurde die PS-Spitze erneut von den Linken aus ihren eigenen Reihen und aus der radikalen Linken überholt: die votierten mit der Mehrheit der FranzösInnen gegen die Verfassung.

In den Gründungsländern der EU ist die PS die einzige sozialdemokratische Partei, die mutig genug war, ein Referendum über die EU-Verfassung zu organisieren. Die Differenzen, die dabei aufgebrochen sind, halten an. Sie könnten auch die Präsidentenwahlen von 2007 bestimmen: Nicht nur in der PS, sondern auch links von ihr bereiten sich schon zahlreiche KandidatInnen vor. DOROTHEA HAHN