Kommentar Neue Rechte in Österreich: Ende der Nostalgie

Die österreichische Rechte geht auf Abstand zum Nationalsozialismus. Jenes Gedankengut manifestiert sich heute im Sozialchauvinismus der Rechtspopulisten.

In Österreich konnte ein hochrangiger Nazi leichter Karriere machen als ein Widerstandskämpfer oder gar Wehrmachtsdeserteur. Letztere pflegten ihre Vergangenheit lieber zu verbergen, weil sie die soziale Ächtung fürchteten. Erst jetzt haben jene, die sich der Kriegsmaschinerie unter Lebensgefahr entzogen, Aussichten auf volle Rehabilitierung. Das liegt nicht nur daran, dass 70 Jahre nach dem Angriff auf Polen die Generation der Kriegsteilnehmer langsam ausstirbt. Auch das, was die FPÖ als "antifaschistischen Grundkonsens" verweigert, hat sich inzwischen weitgehend etabliert. Zumindest, was die Vergangenheit betrifft.

Noch im vergangenen Jahrzehnt hat Jörg Haider die SS-Veteranen beim Kameradschaftstreffen auf dem Kärntner Ulrichsberg als aufrechte, pflichtbewusste Männer gepriesen. Dieses Jahr wurde das umstrittene Treffen erstmals abgesagt. Verteidigungsminister Norbert Darabos verweigerte die Teilnahme von uniformierten Bundesheer-Abordnungen, und selbst Kärntens Landeshauptmann, der Haider-Verehrer Gerhard Dörfler, ließ sich entschuldigen. Er findet die Veranstaltung zu weit rechts. NS-Nostalgiker gibt es immer noch.

Doch selbst die FPÖ, die ja aus einem Sammelbecken von Altnazis hervorgegangen ist, distanziert sich von Fans, die bei Veranstaltungen den Hitler-Gruß zeigen. Bei der jüngsten Debatte um die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren hält sich die Parteiführung bedeckt. Sie meidet ein Gefecht, das sie nur verlieren kann.

Die ideologischen Schlachten werden heute woanders geschlagen. Es wird nicht an den offenen Nazi appelliert, sondern an Frustration und Neid der zu kurz Gekommenen, die es gut finden, wenn Ausländer von Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Nähe zum Faschismus würden diese Leute aber empört zurückweisen.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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