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Archiv-Artikel

Geschummelte Netzidentitäten

PROZESS Mit Phishing an die fremden Passwörter: Ein Internetbetrüger steht vor Gericht – und gesteht alles

Das Verlesen der Anklageschrift dauerte fast eine Stunde: Über 150 Tatbestände wurden Khaldon K. vom Kriminalgericht Moabit am Montag vorgeworfen, darunter Betrug und Urkundenfälschung – was der Angeklagte auch gestand.

Zwischen 2008 und 2012 hatte der in Berlin lebende, in Bagdad geborene Österreicher Bankkonten mit falschen Identitäten eröffnet, Geld für online bestellte Waren kassiert, die er nie lieferte, und Phishing betrieben, also fremde Passwörter mit Trojanern abgegriffen. So hatte sich der Angeklagte beispielsweise mit ergaunerten Daten in einen Internetshop eingeloggt und die angegebenen Kontodaten durch seine eigenen ersetzt. Kunden, die ihre Waren bezahlen wollten, überwiesen das Geld dann ihm statt dem Händler.

Dabei beschränkte sich der Beschuldigte keinesfalls auf Kleinigkeiten: Beim vermeintlichen Kauf eines Luxuswagens prellte er ein Finanzunternehmen um über 50.000 Euro. Laut Anklageschrift habe er auch einem Gehilfen drohend eine Pistole an die Schläfe gehalten, als dieser aus den krummen Geschäften aussteigen wollte.

Ein als Zeuge aufgerufener Polizist, der das Ermittlungsverfahren geleitet hatte, beschrieb den Österreicher dagegen als „friedlich“. Bei der Festnahme habe er bereitwillig von seiner Rolle als Administrator eines einschlägigen Onlineforums berichtet, einer „sehr serviceorientierten“ Tauschplattform für Kriminelle.

Dass Khaldon K. vor Gericht trotz der Vorwürfe einen fröhlichen Eindruck machte, ließ sich vielleicht mit dem Deal erklären, den er mit den Richtern und der Staatsanwaltschaft gemacht hat: Diese ließen die Verfahren gegen einige kleinere Vergehen fallen, bei denen niemand zu Schaden gekommen war. Außerdem sagten sie dem Täter zu, höchstens viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe zu verhängen. Im Gegenzug räumte der Angeklagte alle Vorwürfe ein und half dem Gericht bei der Aufklärung. Nächsten Montag soll das Urteil verkündet werden. FELIX AUSTEN