Kommentar Polizisten-Kennzeichung: Ein überfälliger Schritt

Das Argument von Innenpolitikern, die nun vorgesehene Nummer "schaffe Distanz" ist ein durchsichtiger Versuch, per Identitätsverschleierung eine stille Motivationsreserve für unrechtmäßiges, gewaltsames Vorgehen zu wahren.

Die Entscheidung, Polizisten bei Demos künftig eindeutig zu kennzeichnen, wird in doppelter Hinsicht heilsame Wirkung haben. Direkt identifizierbare Beamte werden sich zweimal überlegen, ob sie sich in Gegenwart vieler Zeugen die Gewalttätigkeiten leisten, die bei Demonstrationen immer wieder zu beobachten sind. Zudem haben Opfer von Polizeigewalt künftig weit bessere Chancen, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Bisher war das fast unmöglich. Ausgerechnet in dem Bereich, in dem es zur unmittelbarsten Konfrontation zwischen staatlichem Gewaltmonopol und Bürger kommt, hielt der Staat es nicht für nötig, transparent zu sein.

Umgekehrt ist das Begehren, zu wissen, mit wem man es zu tun hat, umso größer: Bei Demos filmen üblicherweise mit Sturmhauben vermummte Beamte alles und jeden ab, bei verdachtsunabhängigen Kontrollen werden Personen immer wieder in polizeiliche Datenbanken eingespeichert. Am Zustand einer anonymen Polizeimacht kann nur festhalten wollen, wer ihr die Möglichkeit erhalten will, zur Not eben auch mal jenseits des rechtlich zulässigen Hand anlegen zu können. Das von Innenpolitikern vorgebrachte Argument, die nun vorgesehene Nummer "schaffe Distanz" ist ein durchsichtiger Versuch, per Identitätsverschleierung eine stille Motivationsreserve für unrechtmäßiges, gewaltsames Vorgehen zu wahren.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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