Dänischer Minister unter Druck: Hinterhalt scheitert an Word-Unkenntnis
Das dänische Militär lancierte eine angeblich von Terroristen stammende Buchübersetzung im Internet - übersah aber die Funktion, die den Verfasser anzeigt.
STOCKHOLM taz | Sie hatten Unrecht und brachten Leib und Leben dänischer Soldaten in Gefahr. Das dänische Gericht, das es abgelehnt hatte, das Buch eines Elitesoldaten zu verbieten und die Tageszeitung Politiken, die mit der Begründung eine Zensur verhindern zu wollen dieses Buch vollinhaltlich abgedruckt hatte. Denn nichts konnte wohl besser beweisen, dass die in diesem verbreiteten Informationen eine „Gebrauchsanweisung für al Qaida“ darstellten, als die Tatsache, dass die „Terroristen“ sich sofort die Mühe gemacht hatten, das gesamte Buch umgehend ins Arabische zu übersetzen.
Drei Tage nachdem das dänische Militär mit seinem Verbotsantrag gerichtlich gescheitert war, trat Verteidigungsministers Søren Gade mit Hinweis auf eine bereits im Internet kursierende arabische Fassung erst vor den verteidigungspolitischen Ausschuss des Parlaments und dann vor die Medien. Und stellte die rhetorische Frage, ob denn nun wirklich noch jemand das Interesse des „Feindes“ an dem Buch des Jägersoldaten Thomas Rathsack und damit die Berechtigung des Zensurversuchs des Militäroberkommandos bezweifeln könnte. Mit dem Erfolg, tatsächlich für eine Weile Betroffenheit auszulösen.
Seltsam nur, das der von einer Zeitung engagierte Dolmetscher für Arabisch diese „Übersetzung“ als völlig unverständlich abtat. Wie sich zeigte, war sie einfach mit Hilfe des maschinellen Übersetzungsprogramms „Google-translate“ erstellt worden und stellte sich als bloßes wirres Kauderwelsch dar. Noch peinlicher wurde es für das Militäroberkommando, als ein mit den Grundbegriffen von Microsoft-Word vertrauter Journalist bei dem im „doc.“-Format verbreiteten Dokument auf „Eigenschaften“ klickte und als Verfasser der Übersetzung das – Militäroberkommando fand.
Die schnell von der dortigen IT-Abteilung errichtete Verteidigungslinie, wonach man wirklich eine arabische Fassung im Internet gefunden, diese lediglich herunter geladen und auf dem eigenen Rechner nur in das „doc.“-Format konvertiert habe, hielt nicht lange. Dann könne man ja auch sicher die entsprechenden Log-Files und Serverinformationen vorlegen, die das beweisen? Das konnte man nicht und nach einigem Zögern gestand der Chef der IT-Abteilung zu, er habe persönlich die arabische Fassung erstellt und in Umlauf gebracht. Und nahm am Donnerstag seinen Hut.
Bleibt die Frage, wer ihn mit dieser „Übersetzung“ beauftragt hatte und wer für diesen durchsichtigen Täuschungsversuch die politische Verantwortung übernehmen muss. „Was wusste Søren Gade?“ schlagzeilte am Freitag die Tageszeitung Information und hält es für unglaubwürdig, dass der Entlastungsangriff mit der Übersetzung die Idee eines einzelnen Mitarbeiters gewesen sein soll.
Die sozialdemokratische Opposition fordert nun den Rücktritt des Verteidigungsministers. Der hatte sich tatsächlich weit aus dem Fenster gelehnt. Wenn sich herausstellen sollte, dass das eigene Militär die Übersetzung fabriziert habe, „stehe ich ganz vorne auf der Planke und bin auf dem Weg hinab ins Wasser“, hatte Søren Gade am vergangenen Wochenende in einer TV-Talkshow formuliert, als man ihn mit den ersten Verdachtsmomenten konfrontierte: „Ich bin der Direktor, the buck stops here.“
Der IT-Abteilung des Militäroberkommandos empfahlen Medien mittlerweile, doch mal einen Grundkurs in Microsoft-Word zu buchen. Denn wenn nicht einmal deren Chef sich darüber im Klaren war, was Microsoft so alles speichert und welch einfach zu verfolgende Spuren der Verfasser eines Word-Dokuments hinterlasse, sei einiges faul mit der IT-Sicherheit im Staate Dänemark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!