Schwarz-Gelb und das Internet: "Keine Regierung von Ausdruckern"

Netzaktivisten stellen Schwarz-Gelb ein gemischtes Zeugnis aus. An vielen Stellen bleibe der Koalitionsvertrag unkonkret und schiebe wichtige Entscheidungen auf.

Westerwelle winkt den Koalitionsvertrag durch: Sonderparteitag der FDP zur Bestätigung des Regierungsbündnisses. Bild: reuters

BERLIN taz | "Mehr als erwartet, weniger als gewünscht", so das Fazit der Internetgemeinde zur künftigen schwarz-gelben Netzpolitik. Einige Aspekte bewerten die Netzexperten als überraschend und positiv, insgesamt aber schiebe die neue Regierung viele notwendige Entscheidungen auf die lange Bank.

Tatsächlich hat keine Regierung zuvor dem Internet im Koalitionsvertrag so viel Platz eingeräumt. Auf fünf Seiten beschäftigen sich Union und FDP mit dem Netz, bezeichnen es gar als "freiheitlichstes und effizientestes Informations- und Kommunikationsforum der Welt".

"Für viele erfreulich ist natürlich, dass die Netzsperren für ein Jahr ausgesetzt werden", erklärt Markus Beckedahl, Betreiber von netzpolitik.org der taz. Seiten mit kinderpornografischen Inhalten sollen künftig gelöscht, nicht gesperrt werden. Für die Piraten ist der Effekt positiv, die Umsetzung aber kritikwürdig. "Wir fordern, das Gesetz zu kippen", so Vorstandsmitglied Nicole Hornung.

Die nach dem Vorbild der Stiftung Warentest geplante "Stiftung Datenschutz", die im Netz eine Art Gütesiegel vergeben soll, wird als längst überfällig bewertet. Das Bekenntnis zur Netzneutralität ebenso wie die Willensbekundung für einen Breitband-Ausbau meist positiv zur Kenntnis genommen.

Sowohl beim umstrittenen Zugriff der Bundesbehörden auf Vorratsdaten aus Internet- und Telefonverbindung, der zunächst weitgehend ausgesetzt wird, als auch beim BKA-Gesetz bleibt Schwarz-Gelb aber unkonkret. Onlinedurchsuchungen sind weiter möglich, das Gesetz soll aber hinsichtlich der Verbesserung des Schutzes der Privatsphäre überprüft werden.

Manche Netzaktivisten befürchten, dass auf Tauschbörsenbenutzer harte Zeiten zukommen. "Es heißt nur, dass keine Initiative für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergriffen wird", sagt Piratin Hornung. Das sei äußert vage. Eine Debatte, ob Filesharer künftig bei Verstößen dennoch der Zugang zum Netz gesperrt werden kann – etwa durch eine Regulierungsbehörde ähnlich wie in Großbritannien –, das könne auch hier drohen, glaubt Beckedahl.

Ohnehin sei mit einer Verschärfung des Urheberrechts im Netz zu rechnen. Im Koalitionsvertrag steht etwa: "Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler". Schwarz-Gelb strebt daher ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage an, die dann über eine zu gründende Gesellschaft für die Verbreitung vom Verlag produzierten Inhaltes Geld einsammeln könnten – ähnlich wie die GEMA es für Musik bereits tut. Betroffen wären dann wohl vor allem GoogleNews und Blogs. Beckedahl hält das für grundfalsch. "Ein solches Recht hilft nur dabei, alte Geschäftsmodelle künstlich am Leben zu halten", sagt er.

Insgesamt stellt er der neuen Regierung deshalb ein gemischtes Zeugnis aus. "Mir fehlen die positiven Visionen für eine zukunftsfähige Netzpolitik", so Beckedahl. Die FDP habe großspurig den Weg in die Internetrepublik angekündigt, davon sei nicht viel übrig geblieben. Auch Piratin Hornung sieht erhebliche Defizite. "Zum Thema Stärkung der Medienkompetenz wird gar nichts geschrieben", sagt sie. Insgesamt gebe es etliche "Pflaster für die FDP, damit sie ihr Gesicht nicht verliert".

Onlineanalyst Robin Meyer-Lucht schreibt im Weblog Carta, den Koalitionären sei in Sachen Medien- und Informationsgesellschaft nicht der große Wurf gelungen, dennoch sei es ein kleiner Aufbruch und eine Stärkung des Internets. Offenbar nimmt die Szene die neue Regierung ernst: "Eine Regierung von Internetausdruckern", sagt Meyer-Lucht, "ist diese nicht mehr".

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