Residenzpflicht: Viele Flüchtlinge bleiben eingesperrt

Die von Rot-Rot in Berlin und Brandenburg geplante Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber wird wohl nur einem kleinen Teil der Flüchtlinge helfen, beklagen die Flüchtlingsräte beider Länder.

Aktion des Flüchtlingsrates vor dem Hauptbahnhof im Oktober 2009 Bild: ap

Die geplante Abschaffung der sogenannten Residenzpflicht für Asylbewerber durch die rot-roten Landesregierungen in Berlin und Brandenburg ist nur für einen kleinen Teil der Betroffenen möglich. Das ist das Resumee eines Fachgespräches der Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg sowie des gemeinsamen Landesmigrationsrates. Während die beiden Landesregierungen für Asylbewerber vereinbaren könnten, dass jene sich ohne behördliche Erlaubnis in Berlin und Brandenburg frei bewegen dürfen, gehe das für geduldete Flüchtlinge nicht. Hier sehe das Bundesrecht keine so weitgehende Möglichkeiten einer Landesregierung vor.

"Geduldete sind aber der Großteil der gegenwärtig von der Residenzpflicht Betroffenen", erklärte die Sozialwissenschaftlerin Beate Selders, die eine bundesweite Studie zur Residenzpflicht erstellt hat. Demnach leben bundesweit 33.000 Menschen im Asylverfahren und 105.000 geduldete Flüchtlinge.

Allerdings könnte die Brandenburger Landesregierung, so Selders und der Rechtsanwalt Rolf Stahmann bei dem Gespräch am Mittwochabend, allen geduldeten Flüchtlingen aus Brandenburg gestatten, sich im ganzen Land Brandenburg aufzuhalten. In Brandenburg hingegen würde sehr unterschiedlich verfahren: Einige Landkreise und Städte gestatteten die freie Bewegung im ganzen Land, andere - etwa Frankfurt (Oder) - erlaubten nicht einmal das Verlassen der Stadt. Stahmann: "Hier könnte die Landesregierung durch ein Rundschreiben an die Ausländerbehörden Einheitlichkeit zugunsten der Flüchtlinge herstellen."

Will ein geduldeter Flüchtling nach Berlin fahren, so muss er nach Auffassung der Experten auch weiterhin einen Antrag an die Ausländerbehörde richten. Für Asylbewerber wollen die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg dieses Antragsverfahren bald abschaffen und ihnen den Aufenthalt im jeweils anderen Land ohne bürokratische Genehmigungen gestatten. Das wäre eine bundesweit einmalige Aushöhlung der Residenzpflicht. Für geduldete Flüchtlinge hingegen sieht das Bundesrecht das nicht vor. Stahmann: "Die Landesregierung kann aber anweisen, dass dieser Antrag genehmigt werden muss, sofern nicht im Einzelfall etwas dagegen spricht."

Katina Schubert von der Senatsverwaltung für Integration kündigte zwar eine gemeinsame Bundesratsinitiative von Berlin und Brandenburg zur Abschaffung der Residenzpflicht an. Aber über den Erfolg macht sie sich keine Illusionen. "Eine Bundesratsinitiative von zwei rot-roten Landesregierungen ist nur ein bisschen mehr wert als eine Presseerklärung."

Ein besonderes Problem sei aber die Durchfahrt Brandenburger Asylbewerber durch Berlin. Wege mit der Bahn von Frankfurt (Oder) nach Potsdam oder von Cottbus nach Oranienburg führen in der Regel durch die Hauptstadt. Und dort werden, so die Erfahrungen von Betroffenen, Menschen mit anderer Hautfarbe auf den Bahnhöfen regelmäßig kontrolliert und würden dann kriminalisiert. Bei einer Verurteilung wegen Verletzung der Residenzpflicht zu mehr als 90 Tagessätzen fallen Flüchtlinge sogar aus einem humanitären Bleiberecht heraus. Das ist gar kein seltener Fall. Laut der Studie von Beate Selders mussten im Jahre 2007 sogar bundesweit rund 100 Asylbewerber und eine unbekannte Zahl von geduldeten Flüchtlingen eine Haftstrafe absitzen, weil sie mehrfach ohne behördliche Erlaubnis ihren Landkreis verlassen hatten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.