Pjöngjang ohne deutschen Lesesaal: Ende eines Experiments
Das Goethe-Institut schließt den deutschen Lesesaal in der nordkoreanischen Hauptstadt. Es reagiert damit auf Zensur und Zugangsbeschränkungen für Besucher.
PEKING taz | Er ist ein Ort der Ruhe: der Lesesaal des Goethe-Instituts in Pjöngjang mit seinen mehr als 4.000 deutschsprachigen Büchern. Besucher sind rar, weil die nordkoreanischen Behörden den Zugang beschränken. Nach jahrelangem Hin und Her hat das Goethe-Institut die Konsequenzen gezogen und den Vertrag mit der "deutsch-koreanischen Freundschaftsgesellschaft" gekündigt, wie der Leiter des Goethe-Instituts in Südkorea, Raimund Würdemann, am Mittwoch berichtete.
Damit endet ein einzigartiges Experiment, das vor fünf Jahren begann: Die Bibliothek, die am 2. Juni 2004 für 160.000 Euro eingerichtet wurde, sollte helfen, "eine kleine Tür" in das abgeschottete Land zu öffnen, erklärte die damalige Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach.
Es war die erste internationale Kultureinrichtung in Nordkorea. Man habe ihr zugesichert, sagte Limbach, dass jeder Nordkoreaner den Lesesaal betreten und die Publikationen lesen könne.
Mit dem Lesesaal war auch die Hoffnung verknüpft, einen Schritt zu einem freieren Austausch zwischen Nordkoreanern und der winzigen internationalen Gemeinde Pjöngjangs zu machen. Daraus wurde nichts: Die Kontrollen sind scharf, persönliche Kontakte werden behindert, internationale Radio- oder Fernsehprogramme darf die Bevölkerung nicht empfangen. In den ersten beiden Jahren lag auch aktuelle Presse aus, darunter die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel. Das änderte sich, als ein japanischer Reporter 2007 den Lesesaal besuchte und schrieb, dass er hier regierungskritische Medien gefunden habe. Der Entschluss, den Vertrag zum Juni 2010 zu beenden, habe das Goethe-Institut im Sommer dieses Jahres gefällt, hieß es gestern.
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