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Piratin Amelia AndersdotterIm Parlament dank Lissabon

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags verdoppelt die Piratenpartei ihre Präsenz im EU-Parlament. Amelia Andersdotter hat Attac-Wurzeln und wird die jüngste EU-Parlamentarierin aller Zeiten.

Amelia Amersdotter bei einer Demonstration im Mai 2009. Bild: Thomas Selig - Lizenz: CC-BY

Ab 1. Dezember wird Amelia Andersdotter die Präsenz der Piratenpartei im EU-Parlament verdoppeln. Für die ersten Monate erst einmal nur als „Beobachterin“, bis alle Mitgliedsstaaten das entsprechende Zusatzprotokoll zum Lissaboner Vertrag unterzeichnet haben.

Mit dessen Inkrafttreten bekommt Schweden zwei zusätzliche Abgeordnete in Brüssel – ein Mandat entfällt dabei auf die bei der Europawahl mit 7,1 Prozent erfolgreichen Piraten. Und die 22-jährige Studentin wurde auf Platz 2 der „Piratpartiet“-Liste gewählt. Der drei Jahre älteren Dänin Emilie Turunen hat die Schwedin den Rang als derzeit jüngste Europaabgeordnete abgelaufen und ist nun jüngste EU-Parlamentarierin aller Zeiten.

Von einer Studentenbude in der Universitätsstadt Lund nach Brüssel – ein wenig nervös macht das schon: „Eine Zeitlang hatte ich Panik.“ Eigentlich will sie auch gar keine Politikerin werden. Da müsse man immer eine bestimmte soziale Rolle spielen, sich im Griff haben und mit mehr Autorität auftreten, als sie es bislang gewohnt sei. „Und man kann auch nicht einfach in Schlappen und T-Shirt ankommen.“ Die Abgeordnetenrolle werde sie wohl verändern und sie werde sich ändern müssen. „Ich will ja, dass man mich ernst nimmt und mir zuhört. Vielleicht sollte ich mir eine Bass-Stimme zulegen“, flachst sie.

Das muss sie sicher nicht. Selbst ohne Bass-Stimme überzeugte Andersdotter, die aus der ausserparlamentarischen Linken 2006 zur Piratenpartei kam, in der schwedischen Europawahlkampagne auch bei der Konfrontation mit gestandenen PolitikerInnen.

Bei politischen Debatten sammelte sie durch Sachwissen und ihr gewandtes Auftreten Punkte. Und ihre umfangreiche Fangemeinde kennt in Internetforen eigentlich nur ein kontroverses Thema zu Amelia mit dem Nick-Name @teirdes: Ihre Vokuhila-Frisur – vorne-kurz-hinten-lang -, die in Schweden auch längst out ist und dort „Hockeyfrilla“ genannt wird, weil sie in den achtziger Jahren vor allem bei Eishockeyspielern beliebt war.

Nicht von Rudi Völler, sondern nach eigener Aussage schon als Sechsjährige von Roxettes Per Gessle hat sie sich die abgeguckt und seither nicht mehr geändert. Aber sie sei ja auch bei ihrem Musikgeschmack am Anfang der 80er Jahre hängengeblieben: „Ab 1984 wurde alles schlechter.“

Ein Schock werde es für sie sicher werden, plötzlich so viel Geld zu verdienen. Derzeit finanziert die „Piratin“ ihr Mathematik-, Volkswirtschafts- und Spanisch-Studium mit 350 Euro im Monat, „Ich hatte bislang nie mehr als monatlich 800 Euro und plötzlich bekomm ich das zehnfache“.

Davon will sie viel spenden. Vorwiegend an Gruppen, in denen sie selbst aktiv ist. Neben der Piratenpartei Attac, die linke Kulturgruppe Ordfront, Amnesty und bei den Vereinten Nationen der Frauenentwicklungsfonds Unifem. Vielleicht bekommt auch „Nova science fiction“, Schwedens grösste Science-Fiction-Zeitschrift, in deren Redaktion sie sitzt, etwas ab. „Und meine bisherigen Studienschulden kann ich in zwei Monaten abzahlen.“

Kommt sie nur aufgrund des Lissabon-Vertrags ins Parlament, steht sie diesen doch vorwiegend kritisch gegenüber: „Der europäischen Demokratie ist nicht damit gedient, dass man einen solchen unpopulären Vertrag einfach durchdrückt.“

Als Einfragepartei mit begrenztem politischem Repertoire sieht sie die Piratenpartei nicht. Neben Integritätsfragen, um die sich schon ihr „Mitpirat“ im Parlament, Christer Engström kümmert, will sie sich auf handelspolitische Fragen spezialisieren. „Meiner Meinung nach betreibt die EU eine Linie in der externen Handelspolitik, die sowohl für die Entwicklung der EU, vor allem aber für die in den Dritte-Welt-Ländern ein Hindernis ist.“

Das internationale Patentrecht sei nicht nur schlecht für die Konkurrenz, sondern auch schädlich: „Es führt dazu, dass die Menschen wie die Fliegen sterben, weil sie nicht die richtige Medizin bekommen.“ „Ich habe die Ambition etwas zu bewegen“, sagt Andersdotter. Und sie hofft, dass die Berge an EU-Akten ihr auch in Zukunft Zeit für ihre Lieblingslektüre lassen: Science-Fiction und Stan Sakais Mangaserie über Usagi Yojimbo.

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8 Kommentare

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  • N
    Name

    JoSch: Egal ob sie nun nur Piraten-Sympatisant oder -Mitglied sind. Leider bemerke ich in letzter Zeit, dass diese Gruppen "ihrer" Partei zu viel blindes Vertrauen schenken. Pirat zu sein, bedeutet nicht zwangsmäßig, gegen Lobbyismus und Korruption vorgehen (zu können) oder es sogar abzulehnen.

  • Q
    quame

    Bleibt abzuwarten ob Sie dem System, dass so ausgelegt ist dass man auf dem politischen weg nach oben seine Ideale verliert, standhalten kann.

    Fischer und Co hatten ja schließlich auch mal Ideale.

    Naja...die Hoffnung stirbt zuletzt!

    Power to the People!!!!!

  • J
    JoSch

    Zwei Piraten sind noch viel zu wenig. Europa wird immer noch von Korruption und Lobbyismus regiert.

  • TF
    the fnord

    Erste positive Nachricht im Zusammenhang mit dem Vertrag von Lissabon. -> Standing Ovations

  • HW
    Hubert Wombat

    Kräfte, die stets in den Medien präsent sind und nichts vorzuweisen haben, kann ich nur nach der Frisur beurteilen. Da fällt das Urteil über Amelia Andersdotter ähnlich aus wie das über Angela Merkel.

  • K
    Kuchen

    Klasse Frau :)

  • K
    Kommentator

    Die sieht ja aus wie ne Kreuzung aus Kim Yong Il und Dog, dem Bounty Hunter!

     

    Spaß beiseite.

    Hoffe, sie überzeugt dermaßen, dass kein Grüner es jemals mehr wagt, irgendeinem Idealisten (vs. Realo = Korrupto) mehr die sog. "Regierungsfähigkeit" abzusprechen.

    Weder Linken noch Piraten, weder jungen Frauen noch jungen Männern, weder Topmodels noch hässlichen Entlein.

     

    Und dann geht es euch alten, korrupten Säcken (maskulin) in Berlin und Brüssel an den Kragen!!

    Dann ist Schicht im Schacht - Meuterei auf der Bounty!

     

    Drücke Dir die Daumen, Amelia Andersdotter!

  • D
    Direktdemokrat

    Ich selbst habe bei der Europawahl die Piraten gewählt und freue mich natürlich sehr, daß die Partei nun bald einen weiteren Sitz im Europa-Parlament erhält!

     

    Neben der Behandlung der klassischen Piraten-Themen -wie z.B. Kampf gegen Zensur und staatliche Bespitzelung- wünsche ich mir von den Piraten verstärkten Einsatz für die Demokratisierung der EU.

     

    Denn bisher ist das Projekt Europa ein Projekt der Eliten, die Bürger haben bisher kaum Einfluß darauf (außer in den wenigen Mitgliedstaaten, in denen Volksabstimmungen zu verschiedenen Integrationsschritten durchgeführt wurden).

     

    Die einzige Möglichkeit direkter Einflußnahme, die sogenannte "Europäische Bürgerinitiative" (ECI) sollte zu einem Instrument echter demokratischer Beteiligung ausgebaut werden. Der bisherige -äußerst unbefriedigende- Zustand kann und darf jedenfalls nicht auf Dauer fortbestehen.