Anstieg deutscher Waffenexporte: Rüstungsindustrie kennt keine Krise

Die Bundesregierung hat 2008 Waffenausfuhren von fast sechs Milliarden Euro genehmigt. Beliebt sind etwa moderne U-Boote, die Atomwaffen tragen können.

Anstieg um 36,5 Prozent: ein U-Boot für Griechenland (Archivfoto von 2004). Bild: dpa

BERLIN tazDeutschland hat im Jahr 2008 seine Rüstungsexporte erheblich gesteigert: Die Bundesregierung erteilte im Jahr 2008 Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungstransfers im Wert von 5,78 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 36,5 Prozent. Dieses Ergebnis legte die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) am Montag in ihrem jährlichen Bericht vor.

Als besorgniserregend bezeichnete Prälat Bernhard Felmberg, der evangelische Vorsitzende der GKKE, vor allem den Umstand, dass auch umfangreiche Lieferzusagen an Staaten wie Pakistan genehmigt wurden. Pakistan will zudem, trotz vehementer öffentlicher Kritik, weiterhin hochmoderne U-Boote aus Deutschland beziehen. Galten bisher im Umgang mit dem Export von U-Booten freizügige Regeln nach dem Motto "Was schwimmt, geht", plädierte Bernhard Moltmann, Vorsitzender der Fachgruppe Rüstungsexporte der GKKE, nun für eine "Kultur der Zurückhaltung".

Mit Nachdruck kritisierten die Kirchen den Koalitionsvertrag, der ihrer Ansicht nach bei der Ausrichtung der Rüstungspolitik friedenspolitische Aspekte völlig aus den Augen verliert - und stattdessen vor allem industriepolitische und außenwirtschaftliche Gesichtspunkte betont. Die Kirchen forderten eine verbesserte Kontrolle der Rüstungsexporte, die bisherigen EU-Richtlinien seien zu lax.

Außerdem drängte die GKKE wiederholt auf mehr Transparenz seitens der Bundesregierung: Bis heute liege der Bericht über die Genehmigungen von Rüstungsexporten im Jahr 2008 nicht vor.

"Gerade Pakistan ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Bundesregierung relativ skrupellos weiterhin Genehmigungen erteilt hat für ein Land, in dem faktisch Bürgerkrieg herrscht", sagte Friedensforscher Otfried Nassauer. Nach dem Mord an der Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto Ende 2007 habe es einen unausgesprochenen Lieferstopp für deutsche Rüstungsgüter nach Pakistan gegeben. Dieser sei offensichtlich stillschweigend ziemlich bald wieder aufgehoben worden. "Das steht im Gegensatz zu dem Eindruck, den die Regierung der Öffentlichkeit vermittelt hat", sagte Nassauer.

In den letzten Jahren sei es zu einem Boom beim Export von U-Booten mit außenluftunabhängigem Antrieb gekommen. Da diese Boote viel länger tauchen und weiter fahren können als konventionelle Diesel-U-Boote, eröffnen sie den Käufern ganz neue militärische Möglichkeiten. Diese können sie theoretisch als Atomwaffenträger, für komplexe Sabotageoperationen oder für lange anhaltende Aufklärungsoperationen benutzen, ohne dass das Boot an die Wasseroberfläche muss.

Viele Länder denken über die Anschaffung solch neuer U-Boote nach, aber nur wenige können sie sich de facto leisten, sagte Nassauer: 400 bis 500 Millionen Euro kostet ein U-Boot. Die Unterstützung dieses Wettrüstens sei fragwürdig, so Nassauer weiter: "Man leistet eine Art Beihilfe zu den Nuklearpotenzialen von Ländern, die dem Atomwaffensperrvertrag nie beigetreten sind." Mit Indien, Pakistan und Israel hätten alle drei Länder, für die dies gilt, Interesse an solchen U-Booten gezeigt oder sie bereits bestellt. Außerdem würden solche Boote an die Türkei, Südkorea und Griechenland geliefert.

Nicht zuletzt der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag lasse darauf schließen, dass sich das Problem ethisch, moralisch und politisch fragwürdiger Exportgenehmigungen weiter verschärfen werde, so Nassauer. "Bisher war politischer Usus, Rüstungsexporte restriktiv zu behandeln." Im Koalitionsvertrag hingegen komme das Wort restriktiv kein einziges Mal mehr vor. Mit Verweis auf die Absicht der Regierung, Exporthindernisse und Wettbewerbsnachteile abzubauen, warnte Nassauer: "Wenn die Bundesregierung das durchsetzt, bekommen wir eine deutlich gelockerte Praxis des Rüstungsexports."

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