Grüner Staatsekretär in Nöten: Waldrodung gleich Massenmord
Frisch im Amt, kriegt ein Staatssekretär im Saarland mächtig Ärger wegen eines alten Leserbriefs. Darin hat er das Abholzen von Wald mit Kriegszerstörungen gleichgesetzt.
Frankfurt/M. taz | „Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zwischen einer während des Krieges gefallenen Nation und einem gefallenen Wald.…Dabei führen der Pilot des Bombers und der Pilot des Vernichtungsprozessors im Wald kaum bewusst, gefühllos, die Befehle zum Massenmord aus.“ Das schrieb der frühere Präsident des Internationalen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten (IUFRO), Dusan Mlinsek, in dem Buch „Waldwende“ – einem Standardwerk für die naturnahe Waldbewirtschaftung.
Führende Vertreter der deutschen Forst- und Holzwirtschaft halten das für eine „unzulässige Gleichstellung des Schicksals der Opfer der Bombenkriege mit dem alltäglichen, nachhaltigen und vergleichsweise banalen Vorgang der Holzernte“. Sie haben dem gerade erst zum Staatssekretär im Saarländischen Umweltministerium berufenen Forstsachverständigen Klaus Borger in der Zeitschrift „Forst und Technik“ einen Offenen Brief geschrieben, weil sich der Grüne schon im Mai – mitten im Landtagswahlkampf - in einem Leserbrief an das “Holz-Zentralblatt“ die absurden Ansichten von Mlinsek zu eigen gemacht hatte. Mit seinem „unerträglichen Vergleich“ habe Borger nicht nur forstliche Dienstleiter und Fahrer von Forstmaschinen des Massenmordes beschuldigt, sondern auch kommunale und staatliche Waldbesitzer, Förster und Revierleiter als Auftraggeber verunglimpft, schreiben die Verbandsvertreter dem Grünen jetzt nach dessen Ernennung zum Jamaika-Staatssekretär empört ins Stammbuch.
Das sieht die Saarländische Umweltministerin Simone Peter (Grüne) genau so. „So etwas geht überhaupt nicht“, sagte Peter an diesem Sonntag der taz. Und auch nicht, dass Borger ihr die ganze „unappetitliche Geschichte“ bislang verschwiegen habe. Peter verlangte dann von Borger umgehend die „vollständige Distanzierung“ von den inkriminierenden Einlassungen in seinem Leserbrief an „Forst und Technik“, die nicht als Zitate von Mlinsek gekennzeichnet waren. Und die linke Grüne drohte ihrem Staatssekretär im Wiederholungsfall „die sofortige Entlassung“ an. Peter: Es kocht in mir!“
Borger selbst räumte auf Nachfrage ein, „einen Fehler gemacht“ zu haben. Und er brachte sein „großes Bedauern darüber“ zum Ausdruck. Heute, sagt er, würde er „das ganz sicher nicht mehr schreiben“. Nie habe er Personen wie etwa die Fahrer von Waldmaschinen oder Holzlastwagen des Massenmordes bezichtigen wollen, sagte er. Und dass er sich für diese „missverständlichen Formulierungen“ bereits in einem weiteren Leserbrief an das „Holz-Zentralblatt“ entschuldigt habe. Es sei ihm „aus Waldbewirtschaftungs- und Klimaschutzgründen“ nur um Kritik am Einsatz großer Maschinen in einem empfindlichen Ökosystem gegangen.
Die SPD Saar forderte Borger inzwischen auf „Konsequenzen zu ziehen“, denn seine Entgleisungen seinen „nicht akzeptabel, nicht nachvollziehbar und nicht sachgerecht“. Und auch der Umwelt habe der Staatssekretär Borger „einen Bärendienst erwiesen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid