Jahreskongress des CCC: „Die Wahrheit muss raus“

Zum Auftakt seines Jahreskongresses forderte der Chaos Computer Club eine „Stiftung Datenschutz“ und einen jährlichen „Datenbrief“. Wikileaks will Island zur „Informationsoase“ machen.

Seit Jahren findet hier der Kongress des CCC statt: Das inzwischen etwas zu klein gewordene bcc am Berliner Alexanderplatz – fotografiert zu einem Zeitpunkt, als die Massen noch nicht an den Türen standen. Bild: Thomas Schewe – Lizenz: CC-BY-SA

BERLIN taz/dpa | Schon am Tag 1, morgens um viertel vor Elf, sind die Kongresstickets ausverkauft. „Solche Schlangen gab es noch nie“, staunt CCC-Sprecherin Constanze Kurz angesichts des „26C3“ - des 26. Kongresses des Chaos Computer Clubs im Berliner bcc am Alexanderplatz. Schwerpunkt beim Kongress in diesem Jahr sind die Themen Netzneutralität und Zensur.

Drinnen fliegen die Drohnen herum, es wird mit Lasern gespielt, die Freifunker sind da, der „100-Dollar-Laptop“ und auch der 3D-Drucker. Erstmals hat der Kongress ein eigenes Mobilfunknetz. Im Keller, wo auch das Hackcenter aufgebaut ist, „geht noch ne Menge ab“, sagt Kurz.

Der CCC-Jahresend-Kongress steht in diesem Jahr unter dem Motto „here be dragons“ und bricht wieder Rekorde. Mehr als 3.000 Teilnehmer sollen es schon am ersten Tag sein, zum Zählen sind die CCCler noch nicht gekommen. Und noch mehr nehmen dezentral teil: Unter dem Motto „Dragons everywhere“ finden weltweit 36 Sit-Ins für die Daheimgebliebenen statt. Hacker schauen den Kongress-Livestream „und hacken dabei ein bisschen herum“.

Den Auftaktvortrag hielt der „Club“ in diesem Jahr, anders als sonst, selbst: CCC-Sprecher Frank Rieger forderte eine Stiftung Datenschutz nach dem Vorbild der Stiftung Warentest, sowie einen "Datenbrief“: Der soll von Datensammlern einmal im Jahr verschickt werden.

„Man könnte den Eindruck gewinnen, das einzige, was zwischen uns und dem Überwachungsstaat steht, sind die technische Inkompetenz der Überwacher und das Bundesverfassungsgericht“, sagte Frank Rieger außerdem. Diese Entwicklung müsse man zurückrollen. Rieger forderte ein Recht auf freie Kommunikation und eine „digitale Intimsphäre“.

Insgesamt sieht sich der Club strategisch gut aufgestellt, auch im Vergleich zu den Vorjahren. Im politischen Diskurs habe sich im letzten Jahr viel verändert. Die drei Maßnahmen Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und die Netzsperren, gegen die der CCC seit Jahren Kampagnen führt, seien nicht vollständig inkraft - entweder vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wie der NRW-Trojaner, die NRW-Ausgabe der Online-Durchsuchung, noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig wie die Vorratsdatenspeicherung oder das BKA-Gesetz, oder eben vom Bundespräsidenten nicht unterschrieben wie die von der Leyen‘schen Netzsperren.

Die Stärkung der Bürgerrechte liege auch an einer veränderten Öffentlichkeit. „Wir können die Medien heute anders nutzen“, sagt Kurz und meint damit nicht, dass sich der CCC einen besseren Presseverteiler aufgebaut hätte. Man sende vielmehr selbst: „Über Twitter und Blogs haben wir unsere Argumente sichtbar gemacht.“ Als nächstes soll das bisher unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit verhandelte ACTA-Abkommen in den Blick genommen werden.

„Die Wahrheit muss raus“, sagt Kurz auch mit Blick auf den Wikileaks. Auf Wikileaks werden geheime Dokumente „geleakt“, es fand sich dort unter anderem der Kundus-Feldjägerbericht. Wikileaks war beim Kongress mit einem Vortrag zu Gast, die Forderung nach einem „information haven“ – etwa „Informationsoase“ analog zu Steueroase (“tax haven“) – in Island wurde am Ende des Vortrags mit Standing Ovations gefeiert. Das Konzept, Verborgenes öffentlich zu machen, entspricht ziemlich genau dem CCC-Grundsatz „Öffentliche Daten nützen“.

Am dritten Kongresstag wird es um den elektronischen Personalausweis gehen. „Natürlich“ habe der CCC Test-Personalausweise erhalten, die Technik sei überdies auch aus den Beratungen bekannt.

Der vierte und letzte Kongresstag wartet mit dem Wikipedia-Showdown auf. Der CCC, so Kurz, habe sich in die Relevanz-Diskussion ja auch schon immer eingemischt. „Auch technisch ist das ja nicht auf dem neuesten Stand“, moniert Kurz, „da sind auf jeden Fall Veränderungen notwendig“.

Erst vor wenigen Tagen hätte es wieder einen Antrag gegeben, das Kampagnenwort „Zensursula“ wegen angeblicher Irrelevanz zu löschen. Es sei, fügt Kurz augenzwinkernd hinzu, für den Wikipedia-Vortrag auch „ein künstlerisches Rahmenprogramm“ vorbereitet.

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