Köln gegen Bayern: Vom Nervenbündel zum Helden
Auch nach dem 1:1 in Köln glaubt selbst ein wiedergeborener Lukas Podolski nicht daran, dass der Titelgewinn des FC Bayern noch zu verhindern ist. Nur gehen dem die Verteidiger aus.
Jeder Schritt sah nach Schmerzen aus, als Lukas Podolski frisch geduscht und dopinggeprüft aus dem Kabinentrakt heraushumpelte. Aber sein Gesicht strahlte nach dem unterhaltsamen 1:1 seiner Kölner gegen Bayern München, denn er hatte ein Tor geschossen. Endlich. Nach 18 erfolglosen Bundesliga-Spieltagen und seiner etwas aggressiven Replik auf die Provokation eines Journalisten am Rande des Länderspiels gegen Argentinien ist ihm innerhalb von 90 Minuten die Metamorphose vom glücklosen Nervenbündel zum großen Helden gelungen.
Scherzend überlegte er, die Zahl 1424 in Form eines Tattoos auf seinem Körper zu verewigen, so viele Minuten hatte er auf ein Tor gewartet. Die Kölner waren zutiefst erleichtert, wieder den alten, den lustigen Podolski zu erleben, den mancher schon endgültig verloren glaubte. "Das ist wie ein kleiner Sieg für uns", verkündete der 24-Jährige, für ihn persönlich war dieser Auftritt aber eher ein großer Sieg. Denn Podolski hatte nicht nur das 1:0 erzielt, er hatte gekämpft, geackert, die Latte getroffen und viele spielerische Impulse eingebracht. "Dieses Spiel war erlösend", sagte er, denn in Köln waren ja nicht nur die Minuten der Torlosigkeit gezählt worden.
1. FC Köln: Mondragón - McKenna, Geromel, Mohamad, Brecko - Petit, Matuschyk - Freis (90.+2 Ehret), Maniche, Podolski (90. Tosic) - Novakovic
Bayern München: Butt - Lahm, van Buyten, Badstuber, Contento (72. Alaba) - Altintop (56. Ribéry), van Bommel, Schweinsteiger, Müller - Gomez, Olic (56. Klose)
Zuschauer: 50.000 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Podolski (32.), 1:1 Schweinsteiger (58.)
Weil die Mannschaft in der Rückrunde mit Podolski vor diesem 25. Spieltag nur einen Punkt erspielte, ohne den Star hingegen sieben, kursierte der Verdacht, der FC sei derzeit ohne Podolski besser als mit ihm. Der kriselnde Nationalspieler belaste seine Umgebung, hieß es, denn Spieler, Fans, Trainer, Funktionäre, alle hatten mit gelitten unter der vergeblichen Suche nach der verlorenen Leichtigkeit.
Dass Podolskis Treffer von einem schlimmen Fehler des Münchner Torhüters Hans-Jörg Butt ("Den muss ich halten") begünstigt wurde, war ihm später ebenso egal wie die Tatsache, dass er mit seiner tollen Leistung dem Lokalrivalen aus Leverkusen im Fernduell um die Meisterschaft geholfen hatte. "Am Ende werden die Bayern Meister, Qualität setzt sich durch", erklärte Podolski, doch ein wenig mehr Glück könnte der Rekordmeister dafür durchaus gebrauchen. Denn nach der starken zweiten Halbzeit hätten die Münchner den Sieg verdient gehabt, Bastian Schweinsteiger hatte zunächst den Ausgleich erzielt, später die Latte getroffen, und Franck Ribéry hatte ebenfalls Pech mit einem Pfostenschuss.
Schon 16-mal scheiterten die Münchner am Aluminium, öfter als jeder andere Bundesligist, Louis van Gaal mochte das jedoch nicht als reines Pech betrachten. Man müsse das Glück erzwingen, floskelte der Trainer, "das haben wir während 30 Minuten in der ersten Halbzeit nicht getan, vielleicht haben wir deshalb später Pfosten und Latte getroffen". Eine Rolle spielte aber sicher auch, dass dem Spiel der Münchner der Esprit des erst in der zweiten Hälfte eingewechselten Ribéry und des in München gebliebenen Arjen Robben fehlte. Beide sind nicht ganz fit von ihren Länderspielreisen zurückgekehrt, sie sollten sich für das wichtige Champions-League-Spiel gegen Florenz am Dienstag schonen. Die Doppelbelastung war an diesem Wochenende definitiv ein Nachteil im Meisterschaftskampf. Die Konkurrenten Schalke und Leverkusen spielen diese Saison schließlich ohne Einfluss des Europapokals, während der FC Bayern langsam ein Problem mit der Besetzung seiner Viererkette bekommt.
Nach dem Augenbogen- und Jochbeinbruch von Martin Demichelis verletzte sich in Köln auch noch Diego Contento am rechten Fuß, der 17-jährige David Abala kam ins Spiel und löste Toni Kroos als jüngsten Spieler, der je in der Bundesliga für den FC Bayern gespielt hat, ab. Van Gaal erklärte, er könne "jetzt noch nichts über das Spiel in Florenz sagen", es kann jedoch passieren, dass der junge Österreicher Abala auch dort links verteidigt. Sie hoffen allerdings weiter auf Contento, Lukas Podolski hat ja eindrucksvoll demonstriert, wie gut man auch mit Schmerzen Fußball spielen kann.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!