Schutz vor der Abschiebung: Gekommen, um zu bleiben

Seit gut einer Woche lebt die fünfköpfige Roma-Familie Asimi in der evangelischen Liebfrauenkirche in Moringen. Die Gemeinde gewährt den Flüchtlingen aus dem Kosovo Kirchenasyl.

Wohnort Sakristei: Seit gut einer Woche lebt die von Abschiebung bedrohte Familie Asimi in der Kirche. Bild: Peter Heller

In der Sakristei der evangelischen Moringer Liebfrauenkirche ist nicht viel Platz für Möbel. Drei Matratzen, ein paar wenige Stühle, ein Tisch sowie ein Regal für die Lebensmittel und ein paar Spielsachen stehen in dem 16 Quadratmeter großen Raum, in dem sich sonst die Pastoren zum Gottesdienst umziehen. Seit gut einer Woche lebt hier die fünfköpfige Roma-Familie Asimi. Die Gemeinde gewährt den von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen aus dem Kosovo Kirchenasyl.

Nach dreieinhalbjährigem Aufenthalt in Deutschland und einem gescheiterten Asylverfahren durfte die Familie nicht mehr in Deutschland bleiben. Der Kreis Göttingen hatte für die Familie für Mittwoch letzter Woche bereits Plätze in einem Abschiebeflugzeug nach Pristina gebucht. "Wir hatten schreckliche Angst", sagt der 16-jährige Asim Asimi. Ein Haus oder wenigstens Verwandte oder Freunde, bei denen sie unterkommen könnten, hat die Familie im Kosovo nach eigenen Angaben nicht: "Wir hätten dann auf der Straße schlafen müssen".

Als die Flüchtlinge am Abend vor der drohenden Abschiebung an die Kirchentür klopften, "hat das Pfarramt entschieden, die sind jetzt erst mal hier", sagt Pastor Friedrich Schwenger. Der Kirchenkreis trägt die Entscheidung mit, auch aus der Gemeinde kommt Zuspruch. Mehrere Mitglieder, erzählt Schwenger, hätten schon Geld, Lebensmittel oder Spielzeug gespendet.

In der Vergangenheit taten sich die Moringer mit der Unterstützung Verfolgter schwerer. Mitten in der Stadt betrieben die Nationalsozialisten Konzentrationslager für Frauen, Männer und Jugendliche.

Der Kirchenvorstand hat Ausländerbehörden und Polizei über den Schutz für die Flüchtlinge informiert. Und gleichzeitig angekündigt, dass das Kirchenasyl vorerst bis Gründonnerstag befristet sei. Bis dahin, hoffen die Familie und ihre Unterstützer, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über die Annahme eines Asylfolgeantrags entschieden. Die Grundlage dafür ist ein neues medizinisches Gutachten über den schlechten Gesundheitszustand von Ehemann und Vater Adrijan Asimi.

Die Familie wurde nach eigenen Angaben 2006 gewaltsam aus dem Kosovo vertrieben. Sie sei mit dem Tod bedroht, der Vater mehrfach überfallen und verprügelt worden. Der 34-Jährige verlor bei den Angriffen seine Zähne. Ärzte haben bei ihm auch eine Schmerzstörung, eine schwere Depression und eine Angsterkrankung festgestellt. An dem Gespräch in der Sakristei nimmt Adrijan Asimi nicht teil, apathisch sitzt er auf einem Stuhl.

Am vergangenen Wochenende ist auch die kleine Medina erkrankt. Sie hat Husten, Fieber und "die ganze letzte Nacht überhaupt nicht geschlafen und nur geweint", berichtet Mutter Merfidana Asimi. Die Eltern und Geschwister bekamen ebenfalls kein Auge zu. Für Asim und die 13-jährige Mirveta sind die beengten Verhältnisse in der Sakristei ohnehin nur schwer auszuhalten. "Wir möchten am liebsten ganz schnell zurück nach Bösinghausen", sagt Asim. In dem kleinen Dorf in der Nähe von Göttingen habe die Familie eine eigene Wohnung und nette Nachbarn gehabt. "Und in der Schule, da hatten wir viele Freunde", sagt Asim.

Anne Berghoff vom Arbeitskreis Asyl, der die Flüchtlinge betreut und Kontakt zu Behörden und Rechtsvertretern hält, hat gerade mit einem Anwalt telefoniert. Sie sieht "gute Chancen", dass dem neuen Asylantrag stattgegeben wird. Bis zu einer endgültigen Entscheidung wäre die Familie vor Abschiebung geschützt.

Für die Asimis und andere Roma gebe es keine menschenwürdige Zukunft im Kosovo, sagt Pastor Schwenger. "Und das sagen nicht nur wir, das sagt auch der EU-Kommissar für Menschenrechte." Und Superintendent Heinz Behrends fragt: "Die Kinder gehen zur Schule, die Mutter spricht deutsch - warum sollen sie nicht hier bleiben?"

Endlich ist auch die kleine Medina eingeschlafen. In eine Decke gehüllt, liegt sie in einer kleinen Wiege auf einer der Matratzen. Die Wangen der Anderthalbjährigen glühen rot vom Fieber.

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